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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.


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Dienstag, 01.07.1997

Für ein Europa ohne Rassismus



Dr. Nadeem Elyas



Auszüge aus einem Beitrag des ZMD-Vorsitzenden in dem Buch ”Religionen für ein Europa ohne Rassismus” herausgegeben vom Interkulturellen Rat in Deutschland e.V.

Zweihundert Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus verschiedenen europäischen Ländern treffen sich in Straßburg. Es ist der 28. November 1996. Vertreter vieler islamischer Organisationen diskutieren zwei Tage lang mit Vertretern beider großen Kirchen, des Judentums und mehrerer europäischer Behörden das Thema ”Islam und Muslime in Europa”.

Nichts ungewöhnliches mag man sagen, und doch ist es etwas erstmaliges ja historisches, handelt es sich um die Räume des Europäischen Parlaments, die zur Konstitutionsfeier des Islamischen Kooperationsrates in Europa zur Verfügung gestellt wurden.

Auch die Muslime stellen sich die Frage: Welchen Platz haben die Religionen in Europa? Der Ruf ”Europa eine Seele geben” wird immer dringlicher. Ihn zum Programm umzuformulieren, bedarf angesichts der multifaktoriellen Probleme der heutigen Zeit einer ganzheitlichen ethisch-moralischen Stütze und einer offenen multikulturellen Sichtweise. Das neue Europa darf sich dem guten Geist der Religionen nicht verschließen. Die neue Seele Europas muß eine weltoffene, multireligiöse und multikulturelle Seele sein.



Welche Rolle können die Religionen spielen?



Mit dem geistigen Inhalt Europas beschäftigen sich die Muslime intensiv. Unlängst sie sind ein Teil der europäischen Realität, und ihre Religion, der Islam, ist in Europa als zweitgrößte Religion heimisch geworden.

Die innereuropäischen sozialen und politischen Konflikte der heutigen Zeit sind eine Herausforderung für die gesamte europäische Gesellschaft. Jede Religion für sich und alle Religionsgemeinschaften zusammen sind durch verdeckte und offenkundige rassistische Entwicklungen, moralischen Verfall breiter Schichten und zunehmende Kriminalität und Gewaltbereitschaft besonders der jungen Generationen überfordert.

Auf politischer Ebene sind ethnischrassistische Grausamkeiten, wie Europa sie in Bosnien

erlebte, oder religiöspolitische Auseinandersetzungen, wie wir sie immer noch in Nordir-land erleben, durch Aufrufe der Kirchen und Vermittlungen der Religionsgemeinschaften nicht zu verhindern.

Kirchenaustritte, Verfall der Religiosität und Atheismus machen es den Institutionen aller Religionsgemeinschaften nicht gerade leicht, eine leitende Funktion in der Gesellschaft zu übernehmen. Trotzdem ist dies alles kein Grund zur Resignation. Auch wenn die Religionsgemeinschaften keine Möglichkeit der direkten Einflußnahme haben und keine politischen Wirkungsmechanismen besitzen, verfügen sie dennoch über ein großes Kapital an Vertrauenswürdigkeit und Akzeptanz bei der Bevölkerung. Durch Aktivierung des Guten, das bei jedem zu finden ist, und Motivierung des Einzelnen, sich für Recht und Gerechtigkeit und gegen Rassismus und Gewalt einzusetzen, können die Religionen wieder eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft spielen.

Mit dem großen Schatz der Weisheit und des Wissens können besonders die Offenbarungsreligionen ihre Anhänger zu Anwälten der Menschlichkeit und Gegnern jeder Art von Rassismus machen.





Islam und Antirassismus

Der Islam bekämpft Diskriminierung jeder Art und kennt weder Bevorzugung aufgrund der Abstammung noch aufgrund irgendwelcher anderen ähnlichen Maßstäbe. Maßstab der Bewertung aller Menschen ist nicht ihre Abstammung, ihre Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Rasse, sondern das Werk eines Menschen, das ihn zu einem besseren oder schlechteren Menschen macht.

Die Tatsache, daß alle Menschen von einem Wesen stammen, verpflichtet uns Muslime, in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester zu sehen, weil wir alle von diesem gemeinsamen Vater und dieser gemeinsamen Mutter abstammen. Dieses wichtige Thema war auch Inhalt der beiden wichtigsten Reden des Propheten bei der Eröffnung von Mekka und in der Rede bei seiner einzigen Pilgerfahrt: »Weder wird der Araber vor dem Nichtaraber, noch der Weiße vor dem Schwarzen bevorzugt, es sei denn durch seine Tat.« Um dieses zu verdeutlichen, setzte der Prophet den Perser Salman mit seinen eigenen Verwandten gleich. ”Salman ist einer von uns, Familie des Propheten.”

Es ist bemerkenswert, daß derjenige, der den ersten Gebetsruf im Islam ausrief, ein Schwarzafrikaner war, nämlich der freigekaufte Sklave Bilal. Ihm wurde einige Jahre später die Ehre zuteil, bei der Eröffnung Mekkas vom Dach der Kaaba noch einmal den Ezaan auszurufen. Um alle Privilegien aufgrund der Abstammung und der Hautfarbe außer Kraft zu setzen, schreibt der Prophet vor: ”Ihr sollt (eurem Oberhaupt) gehorchen und Folge leisten, auch wenn es sich um einen dunkelhäutigen Sklaven handeln sollte.”

Auch eine Abstufung und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts lehnt der Islam ab.

Der Islam verbietet ebenfalls jede Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit. Er garantiert Religionsfreiheit als Teil seiner Glaubenslehre, verpflichtet zum Respekt der Religion der anderen und spricht ihnen Freiheit der Ausübung der eigenen Religion zu.





Rassismus in Europa



Kein Muslim, der sich rassistisch verhält, kann sich auf den Islam berufen und bei ihm Rechtfertigung für irgendeine diskriminierende Handlung suchen. Die Statistik zeigt jedoch, daß nur ein verschwindend kleiner Teil der Muslime in Europa als extremistisch eingestuft wird. Die Mehrheit der in Europa lebenden Muslime bekennt sich zu den geltenden Gesetzen der hiesigen Rechtsstaaten und bringt ihre enge Verbundenheit mit der europäischen Gesellschaft deutlich zum Ausdruck.

In Sachen Diskriminierung und Rassismus sind die Muslime also in den wenigsten Fällen die Täter, vielmehr sind sie Opfer solcher Handlungen. Viele von Ihnen sogar in doppelter Form, wegen ihrer ausländischen Abstammung und wegen ihrer ”fremden” Religion. Hier sind die Muslime auf die Hilfe aller anderen Kräfte in der Gesellschaft und besonders der Behörden angewiesen.

Sehr oft bleibt es von behördlicher Seite nicht nur bei dem verwehrten oder vernachlässigten Schutz vor Angriffen Dritter, sondern die Behörden werden selbst zu diskriminierenden Gegnern durch Verwehrung der Rechte dieser Minderheit oder durch Ablehnung ihrer Vertreter als Ansprechpartner.

Das Prinzip der Gleichbehandlung wird oft auf individueller und institutioneller Ebene mißachtet, und damit die Marginalisierung oder Radikalisierung einzelner Muslime bzw. muslimischer Gruppierungen in Kauf genommen.

Der Sozialfriede in Europa kann nicht erreicht werden, wenn man gleichzeitig die Probleme einer solch großen Minderheit ignoriert. Durch den ernsten Willen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf der Basis der gegenseitigen Achtung und des Vertrauens kann man aus diesen friedfertigen muslimischen Mitbürgern Freunde und Partner gewinnen und sie zu einem Bindeglied zwischen Europa und der Islamischen Welt machen. Vor allem durch die Einbeziehung der Muslime in den demokratischen Prozeß kann ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt und ihre Abschottung verhindert werden.

Auf islamischer Seite müssen die Muslime sich als zuverlässige Partner nicht nur in Sachen Antirassismus sondern in allen Belangen der hiesigen Gesellschaft beweisen. Dies gilt besonders für ihr neu gegründetes europäisches Gremium, den Islamischen Kooperationsrat in Europa. Hier ist eine enge und intensive Zusammenarbeit mit den Europäischen Räten unbedingt nötig, um einige Versäumnisse der letzten Jahre zu korrigieren und Maßstäbe der gegenseitigen Beziehungen für die Zukunft zu setzen.

Die noch schmale Vertrauensbasis müssen die Muslime festigen, indem sie an den oben genannten Grundsätzen ihrer Religion festhalten und sich von den Randgruppen abgrenzen, die diese islamischen Grundsätze in ihrem Verhalten zur europäischen Gesellschaft mißachten.

Die Treue zum eigenen Glauben verpflichtet die Muslime auch dazu, sich deutlich von jeder Verletzung der Menschenrechte oder Mißachtung von Recht und Gerechtigkeit in den islamischen Ländern zu distanzieren.

Ohne die wichtigen Kontakte zu der Islamischen Welt zu verlieren, müssen die islamischen Organisationen in Europa Europa zum Mittelpunkt ihres Interesses und zum Proprium ihrer Aktivität machen.



*****



Europa bietet sich als Hort der Menschenrechte und als Modell für das Zusammenleben verschiedener Völker und Religionsgemeinschaften an. Die Begegnung zwischen Europa und dem Islam ist durch die Geschichte vorbelastet. Vorurteile existieren auf beiden Seiten und führen sehr leicht zu Mißachtung und Mißhandlung. Dieses müssen wir alle gemeinsam überwinden.

Ausgehend von den islamischen Grundsätzen wird jeder wahrer Muslim in Europa ein Helfer und Mitstreiter bei jeder Aktion zur Überwindung von Rassismus, Fremdenhaß und Gewalt sein.



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