Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. |
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Dienstag, 30.06.2009
30.06.09 Rede des Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Deutschland und derzeitiger KRM-Sprecher Dr. Ayyub Axel Köhler auf dem Plenum der Deutschen Islamkonferenz am 25. Juni 2009
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Schäuble,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder im Islam, assalamu aleikum,
Es ist das historische Verdienst der Bundesregierung, mit dem offiziellen Gespräch mit den Muslimen in Deutschland Neuland betreten zu haben. Es ist auch deswegen nicht verwunderlich, dass die hohen Erwartungen an die DIK nicht erfüllt werden konnten. So hätten wir Muslime gerne eine vertragliche Vereinbarung mit dem deutschen Staat geschlossen. Wir mussten nun die Erfahrung machen, dass das nicht so einfach ist, wie wir uns das vorgestellt hatten. Das Mindeste aber, was wir erwarten können, ist nach wie vor die offizielle Positionierung der bestehenden legitimierten islamischen Verbände des KRM als Ansprechpartner innerhalb der Gesellschaft, unserem Rechtssystem, der Regierung und der Politik gegenüber. Hier muss die Politik Orientierung geben. Diese Aufgabe darf die Politik nicht mehr vor sich her schieben. Und schließlich bleibt die Integration der faktisch bestehenden islamischen Religionsgemeinschaften des KRM in das deutsche Religionsverfassungsrecht weiterhin als eine dringend zu lösende Aufgabe.
Zusammengefasst können wir sagen, dass unter dem Strich die Bilanz der DIK positiv ausfällt und dass wir mit Optimismus in die Zukunft der DIK blicken können. Immerhin haben wir in der DIK schon eine Art Geschäftsgrundlage geschaffen, auf der wir aufbauen können. Das Bekenntnis des Bundesinnenministers zu den Muslimen in Deutschland war eine große Motivation insbesondere für die Migranten unter uns und Motivation zur gestalterischen Teilhabe an der Gesellschaft.
Die DIK könnte in ihrer nächsten Runde dazu beitragen, in der Mehrheitsgesellschaft und in der Politik das Bewusstsein zu verinnerlichen, dass die Muslime nicht nur formal Teil der deutschen Gesellschaft, sondern auch Teil der deutschen Wertegemeinschaft sind. Als ernst zu nehmender Teil der deutschen Wertegemeinschaft sollten dann der Islam und die Muslime nicht mehr wie ein zu überwindendes Problem bzw. zu kurierende Problemfälle behandelt werden. Ich bin sogar der Ansicht, dass die islamischen Werte zur Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme beitragen könnten.
Die Erkenntnis, dass sich die Probleme in der Mehrheitsgesellschaft und der der Muslime angleichen, verlangt nach gemeinsamen Lösungsstrategien und Lösungen. Eine unreflektierte Betrachtungsweise und eine von vornherein abwertende Behandlung islamischer Wertvorstellungen wären dabei nicht mehr hilfreich.
Die Diskussion um die deutsche Identität, die Frage, was uns in Deutschland zusammenhält, die Auseinandersetzung mit der leidigen deutschen Leitkultur und das Modell der Multikulti-Gesellschaft schwelt weiterhin unter der Asche, sodass wir in der DIK der Frage nachgehen sollten, wie und was der Islam und die Muslime konstruktiv unserem Land beitragen können. Ich will an dieser Stelle betonen, dass die Muslime genauso wie die Mehrheitsgesellschaft an dem Zusammenhalt der Gesellschaft interessiert sind. Die DIK könnte so in ihrer zweiten Runde einen richtungsweisenden Beitrag nicht nur für die gesamtgesellschaftliche Diskussion über das Deutsche sondern auch um das Bemühen, Europa eine Seele zu geben, leisten. Auch auf diesem Gebiet sollten die Muslime als Teil Deutschlands und Teil Europas als Partner angenommen werden. Das würde allerdings einen Paradigmawechsel in der DIK notwendig machen.
Wir sollten uns auch über die Entwicklung des Islams und der Muslime in Deutschland Sorgen machen. Wünschenswert wäre wohl für alle in Deutschland ein (ohne den Islam zu verbiegen) vom Ausland - ausländischen Regierungen oder im Ausland gewachsenen Ideologien - unabhängiger, eigenständiger Islam. Schon die Bevorzugung einer der vier hier vertretenen islamischen Religionsgemeinschaften, wie Innenminister Schäuble in einem taz-Interview angedeutet hat, wäre in diesem Entwicklungsprozess kontraproduktiv – ganz abgesehen davon, dass damit die erreichte Einheit der Muslime zerstört wird.
Für die Entwicklung eines eigenständigen Islams sind natürlich Freiheit und die Atmosphäre der Großzügigkeit und Offenherzigkeit Voraussetzungen. Für die Entwicklung des Islams und der Muslime müssen wir aber alle Geduld aufbringen Man kann nicht erwarten, dass sich das Heimischwerden der Muslime kurzfristig in Arbeitsgruppen wie in Tarifverhandlungen vollzieht, wo es, auf die DIK überragen, um ein Prozent mehr oder weniger islamisches Leben in Deutschland geht. Geduld und Vertrauen den Muslimen gegenüber ist angesagt!
Abgesehen von extremen Ausnahmefällen und spitzfindiger Hermeneutik theologischer Quellen ist dieses Vertrauen durch die kaum beachtete integrative Leistung der Muslime, wie sie auch die uns nun vorliegende Studie „Über das muslimische Leben in Deutschland“ unterstreicht, gerechtfertigt. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch besonders die persönlichen emanzipatorischen Entwicklungen der muslimischen Frauen in Deutschland würdigen!
Natürlich wäre es im Sinne der Muslime, dass die DIK fortgesetzt wird. Wir möchten wissen, woran wir in Deutschland sind. Wir streben danach, unsere Stellung in Staat und Gesellschaft zu finden und dafür die gesellschaftliche und rechtliche Normalität erreichen. Wir sehen darüber hinaus die große Chance, die sich in einer freiheitlichen Demokratie und unter rechtsstaatlichen Bedingungen gleichermaßen für die Entwicklung unserer Religion als auch für Deutschland bietet. In diesem Sinne sollten wir weitermachen.
Assalamu aleikum
Friede sei mit Ihnen
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