"Rassismus ist nichts anderes als die Kapitulation vor der Unmenschlichkeit."
(Es gilt das gesprochene Wort)
Es ist leicht in die Kamera zu sagen 'No to racism!', es ist einfach als weißer Mann, als Nichtbetroffener über Rassismus zu schwadronieren und über gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit. In der Komfort-Zone ist das einfach. Das hat die meTwo-Debatte gezeigt. Was dies aber in der rauen Welt des Alltags bedeutet, ist etwas anderes. Dass ich hier stehe, ist wegen Propaganda und Denunziantentum von bestimmten Seiten nicht ganz selbstverständlich. Durch Extremismusvorbehaltsdiskussionen gegen einzelne Mitglieder des ZMD haben manche versucht eine Spaltung herbeizuführen und somit die Stimme der Muslime auszusortieren. Das ist ihnen nicht gelungen, dank des Orgateams von #unteilbar, das das Motto #unteilbar konkret umzusetzen weiß. Dafür an dieser Stelle von uns allen nochmals ein großes Dankeschön. So versiegt unsere Stimme nicht, bleibt das, was ich nachfolgend sage, nicht diesem Publikum verwehrt: Denn der ZMD bewegt sich seit Anbeginn auf dem Boden unserer Verfassung und als Teil unseres Landes. Wir haben uns stets mit Wort und Tat gegen jede Form des Rassismus, Nationalismus und Extremismus, sei er religiös, ideologisch oder nationalistisch motiviert, positioniert und uns mit unzähligen Aktivitäten und Programmen innerhalb unserer Religionsgemeinschaften dafür eingesetzt und gehandelt. Wir werden weiter kämpfen und uns nicht beirren lassen. Im Gegenteil, diese Gemeinheiten und Angriffe auf uns machen uns noch entschlossener und stärker.
Jeder Mensch ist einzigartig. Jeder Mensch hat eine Würde, die uns zu schützen auferlegt ist, ja, die uns Muslimen im Koran ebenso auferlegt ist. Im Art. 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Es gibt also keinen Grund sich vor dieser Verpflichtung und Verantwortung davon zu stehlen. Im Gegenteil, wir müssen mit Wort und Tat dafür einstehen – hier und heute. Unteilbar. Mitgefühl, das macht uns als Menschen aus, das bewahrt uns die Menschlichkeit, egal welchen oder ob wir keinen Glauben haben. Lasst uns also Mitgefühl, Solidarität, Nächstenliebe und Barmherzigkeit weiterhin für die vielen Flüchtlinge in Deutschland zeigen, für die Unterdrückten, Diskriminierten und Entrechteten unter den Menschen, für die vielen hungernden Kinder auf der Welt, für die Eltern, deren Kinder vor ihren Augen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken sind, für die abertausenden Getöteten und Gefolterten in Syrien und anderswo auf der Welt. Wir zeigen Mitgefühl und Solidarität für die Opfer der Kriege, der Terroranschläge und Attentate auf dieser Welt und wir schwören nicht Rache und Vergeltung, sondern sagen: Kehrt in euch, grabt eure Menschlichkeit, die in euren Herzen verschollen zu sein scheint, wieder hervor und kehrt um vom Weg des Hasses, der Verachtung und der Gewalt, bevor es zu spät ist. Macht aus dem Mittelmeer kein Grab.
Liebe Teilnehmerinnen, Hoyerswerda, Heidenau, Chemnitz – nichts gelernt? Mölln, Solingen, rassistischer Mord an Marwa El-Sherbini inmitten des Dresdener Gerichts – nichts gelernt? Bis heute unaufgearbeiteter NSU-Terror, über 1000 Anschläge auf Geflüchteten-Unterkünfte im Jahr, jeweils über 1000 antisemitische und antimuslimische Straftaten 2017 – und nichts gelernt? Nein, ich glaub das nicht mehr. Es sind die Verharmloser mit ihren Betroffenheits-Ritualen; es sind die, die den Rechten und Populisten nachplappern und nacheifern. Es sind diese, die diese Hetzer und Hasser dann stärker machen. Deshalb muss die Mehrheit in unserem Land endlich Gesicht zeigen und für ihre Gesellschaft einstehen, bevor es zu spät ist. Denn es geht am Ende nicht um Flüchtlinge oder irgendwelche Minderheiten, die werden meist als Sündenbock vorgeschoben, es geht darum, ob wir weiter unsere Einigkeit, unser Recht, unsere Freiheit erhalten wollen oder sie durch wegschauen verraten. Deshalb: Nicht mehr warten! Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand – so heißt es in der Strophe. Ihr alle hier und heute seid unser Glück.
Doch was machen mit denen, die sich unserer freiheitlichen Demokratie entgegenstellen? Auch umarmen? Oder mit Hass begegnen? Jeder Angriff auf eine Kirche, auf eine Moschee, auf eine Synagoge ist ein Angriff auf unser Land, auf unsere Gesellschaft. Wir sind heute auf der Straße, raus aus unserer Komfort-Zone, um ein Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu setzen und Haltung zu zeigen gegenüber allen, die unser Land spalten wollen. Die überwältigende Mehrheit hat genug vom Hass und den Spaltern einer lautstarken Minderheit. Und wir reichen denen, die verstehen wollen unsere Hände, unsere Herzen in Frieden und Versöhnung. Dennoch sagen wir auch klar: Keine Toleranz der Intoleranz. Kein Hass und keine Menschenfeindlichkeit auf unseren Straßen und im Netz. Nein zu Antisemitismus! Nein zum antimuslimischen Rassismus! Nein zu jeder gruppenspezifischen Menschenfeindlichkeit. Wenn also Menschen, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder weil sie homosexuell sind, mit dem Leben bedroht oder diskriminiert werden, dann stellen wir uns solidarisch quer, als Muslime allemal; dann stellen wir uns schützend vor sie und werden die Freiheit verteidigen und allen klar machen: Die Würde des Menschen ist unteilbar.
Wir gehen heute auf die Straße, weil wir Verantwortung für unser Land tragen, weil wir unsere freie und demokratische Gesellschaft verteidigen gegenüber denen, die mit Menschenfeindlichkeit und Rassismus eine andere Republik haben wollen. Spätestens nach diesem Tag muss klar sein: Wählt und schart euch niemals hinter den Ewiggestrigen, die mit Populismus, Hass und Verachtung auf bestimmte Gruppen unsere Gesellschaft aus den Fugen heben wollen. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Rassismus ist nichts anderes als die Kapitulation vor der Unmenschlichkeit.
Wir stehen hier, um unser Land wachzurütteln. Wacht auf, bevor es zu spät ist! Wir stehen hier, damit danach keiner wieder sagt: Oh, das habe ich nicht gewusst. Wir sind viele – Wir sind für die Menschen da – Wir sind nicht für den Hass da, nicht für Rassismus und Spaltung. Einigkeit in Vielfalt - leben und leben lassen. Lasst uns gleich los ziehen. Wir sind viele.