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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Dienstag, 29.05.2018


29.05.2018 ZMD: "Ein weiteres Solingen darf es nie mehr geben" - Zum Jahrestag des rassistisch motivierten Mordanschlages auf die Familie Genc



Heute nimmt der NRW-Landesvorsitzende Samir Bouaissa für den Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) an den offiziellen Gedenkveranstaltungen anlässlich des entsetzlichen und rassistisch motivierten Mordanschlages auf die Familie Genc in Solingen vor 25 Jahren, teil.

Mevlüde Genç verlor bei dem hasserfüllten Brandanschlag ihre beiden Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte, namentlich: Saime, Hülya, Gülistan, Hatice, und Gürsün Genc.

Herr Bouaissa wird sowohl in der Düsseldorfer Staatskanzlei, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel als Rednerin erwartet wird, und bei der zweiten Gedenkfeier am Mahnmal in Solingen, wo der deutsche und türkische Außenminister erwartet werden, zugegen sein.

Vor über 25 Jahren wurde auf allen Fernsehkanälen und in allen etablierten politischen Parteien über den sogenannten „Asylmissbraucher“, von „massenhaftem Ansturm“ von vermeintlichen „Wirtschaftsflüchtlingen“, von Schlepperbanden und der „Sperrung von Fluchtrouten“ schwadroniert. Auch damals war von Überfremdung und vor allem einer beschränkten Leistungs- und Aufnahmefähigkeit unseres Landes die Rede. Einige fühlten sich auserkoren mit dem Thema offen Wahlkampf zu machen, und andere rassistisch zu hetzen. Solingen ist auch heute das Symbol für Fremdenhass und gewalttätige Ausländerfeindlichkeit. Der Mordanschlag von Solingen geschah drei Tage nach der Änderung des deutschen Asylgrundrechts, auch das darf an diesem Tag nicht vergessen werden.

25 Jahre nach dem Mordanschlag von Solingen erleben wir in Deutschland eine vergleichbare Welle des Hasses auf unsere plural geprägte Einwanderungsgesellschaft. Heute sitzt sogar eine Partei in den Parlamenten, die diesen Hass als programmatisches Leitmotiv vor sich herträgt. Heute lässt ein - noch - kleiner Teil der Bevölkerung seinem Hass nicht nur verbal und im Internet ungebremst und ungehemmt freien Lauf, sondern auch zunehmend mit physischer Gewalt.

Vor 25 Jahren fühlten sich drei junge Männer berufen, die auch von Politikern angeheizte aggressive Stimmung in eine abscheuliche Tat umzusetzen, wovon ihrer Ansicht nach ihr „Volk“ und dessen führende politische Vertreter tagtäglich sprachen und aus ihrer Sicht nur zu feige waren, Fakten zu schaffen. Danach mündete dieser auch von Politikern geschürte Hass in Anschlägen in Mölln, Hoyerswerda und Rostock, im bundesweiten Terror der NSU-Netzwerkes, im fremdenfeindlichen Bombenanschlag in der Keupstrasse in Köln und im bestialischen und islamfeindlichen Mord in einem Dresdener Gericht an Marwa El-Sherbini, um nur einige Stationen des Schreckens, die unser Land in den vergangenen Jahren erlebte, zu benennen. Auch hier fühlten sich die Täter in einer feindselig aufgeladenen Atmosphäre dazu berufen, ihre Verbrechen zu verüben und auf die Hetzjagd zu gehen.

Im Deutschland des Jahres 2018 stellen wir fest, dass dieser Hass tiefe Wurzeln in unserer Gesellschaft geschlagen zu haben scheint; das belegen die erschreckend hohe und weiter ansteigende Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsheime, auf Moscheen und Einrichtungen von Minderheiten in unserem Land, sowie vermehrt auch auf Muslime und Geflüchtete.

Hierzu sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek: „Wir beklagen zu Recht, dass es oft Staats- und Politikversagen im Hinblick auf die Aufdeckung der Strukturen und weitläufigen Netzwerke des Rechtsradikalismus in Deutschland gibt. Wir beklagen zu Recht die von Vorurteilen geprägten Strukturen in Teilen der Behörden gegenüber bestimmten Minderheiten und Gruppen, die dem strukturellen Rassismus in Deutschland großen Vorschub leisten. Und wir fragen uns zurecht, warum all die Sicherheits-, Anti-Terror- und Überwachungsgesetze, die die entsetzlichen Anschläge vom 11. September 2001 hervorbrachten, bei der Eindämmung von Gewalt nicht greifen? Die Antwort ist klar: Weil Gesetze alleine kaum etwas bewirken, wenn nicht das Denken der politisch handelnden Akteure sich ändert. Deshalb fordern wir, viel mehr Anstrengungen und Arbeit in die Fortbildung und Sensibilisierungmaßnahmen im Bereich der Polizei- und Behördenarbeit, wie auch bei der politischen Aufarbeitung des grassierenden Rassismus in Deutschland zu investieren. Leistet die Politik dies nicht, werden sich weitere Katastrophen in unserem Land ereignen, und wir werden wieder neue Opfer beklagen. Denn bis jetzt werden in unserem Land Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit immer noch zu oft verharmlost oder klein geredet. Die Lehre von Solingen kann nicht sein, dass man rechtsradikale Positionen übernimmt. Das klare Einstehen für unseren Rechtsstaat und für ein von Vielfalt geprägtes Deutschland, das ist die bleibende Lehre von Solingen. Ein weiteres Solingen darf es nie wieder in Deutschland geben. Das ist der Auftrag für uns Alle.“

Berlin/Solingen, 29.05.2018