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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Montag, 20.06.2016


12.06.2016 „Es gibt viele Vorurteile“ Vorstandsvorsitzender des ZMD Aiman Mazyek im Interview mit dem Mannheimer Morgen, Terror und Islam darf man nicht gleichsetzen



Mannheim: Herr Mazyek, Bundespräsident Joachim Gauck hört 2017 auf. Haben Sie sich als deutscher Muslim von ihm mehr versprochen?

Mazyek: Warum? Ich bin positiv von ihm angetan und empfinde ihn als einen Bundespräsidenten aller Deutschen. Er hat bei den Einbürgerungsfesten in Schloss Bellevue zum Beispiel mehrfach angemahnt, dass wir Vielfalt in unserem Land als Stärke betrachten und nicht ängstlich sein sollen.

Mannheim: Er hat aber auch gesagt, den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" würde er so nicht unterschreiben.

Mazyek: Diesen semantischen Debatten kann ich nicht so viel abgewinnen. Bundespräsident Gauck betont, dass die Muslime zu Deutschland gehören. Und das gilt dann natürlich auch für ihre Religion.

Mannheim: Dennoch trauern viele Muslime Gaucks Vorgänger Christian Wulff nach, der ja mit seinem Ausspruch "Der Islam gehört zu Deutschland" ein Zeichen gesetzt hat.

Mazyek: Das Tragische bei Wulff ist in der Tat, dass es ihm wegen seines frühen Rücktritts verwehrt geblieben ist, diesen Satz mit integrativen Schritten auszufüllen.

Mannheim: Haben Sie den Eindruck, dass die latente Islamfeindlichkeit vor allem in Ostdeutschland auch etwas damit zu tun hat, dass viele Bundesbürger gar nicht mehr an Gott glauben und ihnen Religiosität deshalb prinzipiell suspekt ist?

Mazyek: Ja, diese allgemeine Religionsskepsis tritt bei der Debatte über den Islam noch offener zutage. Ich nenne als Beispiel nur mal den Moscheebau oder das Kopftuch. Da gibt es einfach viele Ressentiments und auch Vorurteile.

Mannheim: Ihr Buch klingt stellenweise wie eine Rechtfertigungsschrift für den Islam. Sie setzen sich nur oberflächlich mit Strömungen auseinander, die antidemokratisch, antisemitisch, frauenfeindlich und gewaltverherrlichend sind.

Mazyek: Diese Rechtfertigung für den Islam, wie Sie es nennen, ist in Wahrheit der Glaube, wie ihn die absolute Mehrheit der Muslime tagtäglich lebt. Der ist es wert, beschrieben zu werden, anstatt die Terroristen zu unseren Botschaftern zu erklären. Ich kritisiere nicht die Berichterstattung über die Terroristen, ich kritisiere aber, dass dabei weggelassen wird, dass Muslime ebenso Abscheu ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen und ganz anders leben.

Mannheim: Sie zitieren fast durchweg Koran-Suren, die den Islam in einem positiven Licht erscheinen lassen.

Mazyek: Die über 6000 Verse im Koran sind halt positiv. Einige sogenannte umstrittene Verse nehme ich mir aber auch vor, zum Beispiel im Zusammenhang mit der oft falsch interpretierten Position zur Stellung der Frau. Ich erwähne Mohammeds Frau Khadidschah, die eine kluge, wirtschaftlich unabhängige und reiche Frau war. Sie hat übrigens ihm einen Heiratsantrag gemacht und nicht umgekehrt, was damals einer Revolution glich.

Mannheim: Sie befassen sich in Ihrem Buch auch mit dem Terror. Die Dschihadisten berufen sich dabei auf ihre Religion. Hat der Terror auch etwas mit dem Islam zu tun?

Mazyek: Spätestens nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wird der Terror oft nur noch monokausal mit dem Islam gleichgesetzt. Nach so vielen Jahren wird immer noch kaum ein weiteres Erklärungsmodell zugelassen als die Religion. Was macht denn aber einen Menschen wirklich zum Attentäter? Die Ursachen sind vor allem sozialer und psychologischer Natur. Ich werbe im Buch für weitere Erklärungsmodelle. Wir dürfen das religiöse Moment nicht ausklammern, aber eben auch nicht die anderen Beweggründe weiter totschweigen.

Mannheim: Müssten Sie als Verband nicht mehr tun, um zu verhindern, dass Muslime sich radikalisieren?

Mazyek: Ihre Frage unterstellt schon, dass wir das nicht tun. In den allermeisten der 2000 Moscheen in Deutschland wird ein gemäßigter Islam gepredigt. Wir wollen selbstbewusste junge Menschen ansprechen und ihnen vermitteln, dass man den Islam cool finden und trotzdem ein anständiger und gut integrierter Bürger sein kann. Der richtig verstandene Islam ist eine gute Prävention und immunisiert junge Menschen dagegen, in die Kriminalität oder in Extremismus abzugleiten.

Mannheim: Die AfD dürften Sie mit solchen Aussagen nicht besänftigen.

Mazyek: Kein Wunder. Die Rechtspopulisten diffamieren den deutschen Fußballnationalspieler Mesut Özil als nichtpatriotisch, weil er Muslim ist. Diese Partei gibt sich als islamkritisch aus und versteckt dahinter ihren Rassismus. Wir haben 4,5 Millionen Muslime in Deutschland und reden immer wieder von den 700 Extremisten.

Mannheim: Viele befürchten Anschläge während der Fußball-EM.

Mazyek: Ich habe natürlich auch Angst vor Attentaten, hoffe aber, dass die EM zu einem großen Fußballfest wird und unsere Sicherheitsbehörden ihr Bestes tun.

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