Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. |
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Dienstag, 26.01.2016
23.01.2016 Büttenrede von Aiman Mazyek im Wortlaut auf der politischen Karnevalsveranstaltung in Aachen "Wider den tierischen Ernst"
In der Überschrift der Rede sind zwei Fehler: 1) „politischen“ 2) „Ernst“ ohne „es“23.01.2016 Büttenrede von Aiman Mazyek im Wortlaut auf der poliischen Karnevalsveranstaltung in Aachen "Wider den tierischen Ernstes"http://zentralrat.de/27136.php
Sie können es sich vielleicht vorstellen: Als Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland habe ich dieser Tage kaum eine freie Minute. Aber wenn der Elferrat ruft, dann steht „ne echte Öcher Jong“ parat, als Als deutscher Hof - und Quoten-Moslem allemal. Überall in unserem Land warten gerade große Herausforderungen auf Menschen wie Herrn Söder und mich, die für unsere Deutsche Leitkultur werben.
Leitkultur, aber was ist das denn? Morgens schlechte Laune haben bis zur rettenden Kaffeetasse? Im Restaurant getrennt zahlen. Und auf der Terrasse gibt’s nur Kännchen? Sich mindestens einmal im Leben auf dem Oktoberfest volllaufen lassen und die Schweinshaxe zum Pflichtprogramm in der Schulkantine machen?
Nein, Ich denke da eher an die Werte unseres Grundgesetzes, die Gleichheit aller Menschen, von Mann und Frau. An unser Land der Dichter und Denker, an Kant, Goethe und Schiller. An unsere jüdischen Schriftsteller wie Heinrich Heine. Und unseren muslimischen Friedenspreisträger Navid Kermani. Ich denke an „Made in Germany“, an Recht und Ordnung an das Wirtschaftswunder in den 60er Jahren, das eigentlich auch ein „Wünder“ war, denn ohne unsere türkischen Gastarbeiter hätte es wohl so nicht geklappt.
Ich bin sicher, Herr Söder sieht das ganz genau wie ich...tief in seinem Herzen verborgen. Und so rein vom Erscheinungsbild her sind Herr Söder und ich gar nicht so verschieden. In Bayern ginge er doch ohne weiteres als Muslim mit deutsch-arabischem Hintergrund durch. Dunkle Haare, dunkle Augen, beeindruckender Bartwuchs... Ich sag Ihnen: Wenn Söder sich drei Tage nicht rasiert, er müsste an bestimmten Bahnhöfen vor der selbsternannten Bürgerwehr fliehen, und zwar ins nahegelegene Flüchtlingsheim.
Meine Damen und Herren, sachliche Töne sind in der Politik oft so beliebt wie die Einhaltung von Wahlkampfversprechen. Außerdem reichen plumpe Parolen für den Stammtisch. Dann muss der Wutbürger sich nicht soviel Text merken.
Und in Bayern, so scheint es aus der sicheren Entfernung, muss man wohl noch lauter und deftiger vor der Bedrohung der blau-weiß eingefärbten nationalen Identität warnen. Besonders wenn man im Chor der katholischen Bayern eine Solostimme singt – als fränkischer Protestant. Denn wenn sich jemand auskennt mit den Problemen von Identität, mit der Zerrissenheit zwischen den Kulturen und Traditionen, dann ist es - aus dem Reich des Heiligen Franz-Josef - unser Frankenland-Ritter in spe.
Doch wo der Franke sich zum bayrischen Breitmaulfrosch aufbläst und den Wutbürger zum Angstbürger wendet, da geraten die Rollen schon mal durcheinander. Plötzlich hält man den fränkisch-fleißigen Kronprinzen für einen christsozialen Königsmörder. Dabei ist er doch nur der ambitionierte „Lümmel von der ersten Bank“. (Der tut nix, der will doch nur spielen! )
Die Flüchtlings-Debatte hat unseren aufrechten Ritter wieder einmal zu Höchstleistungen angetrieben. Herr Söder stellt gleich mal das Grundrecht auf Asyl in Frage. Dies sorgte für ordentlich Dampf im Kessel. Und das bedeutet für mich: Noch mehr Überstunden! Lieber Ritter in spe, das ist ganz und gar unritterlich! Ich fordere deshalb eine "Obergrenze" für Populismus, GermanAngst und die Anbiederung an die AFD.
Übrigens, das sei nochmals mal klargestellt: Wer hier als Gast zu uns kommt und meint, sich wie ein Ekel benehmen zu können, und unsere Mädels begrabscht, der hat sein Gastrecht verwirkt und geht zurück, wo der Pfeffer wächst.
Leev Jeckinnen und Jecke, liebe Freunde. Meine Heimatstadt Aachen, Grenzstadt zu unseren Nachbarn Belgien und Holland - viele von Ihnen und Euch sind heute da – steht für Humor und Toleranz, und der Karneval steht im Besonderen für Offenheit und Lebensfreude. Nicht für Abschottung und kleinkarierte Denkmuster, die auf manche Aussagen unseres Frankenjungen und Ritters in spe leider zutreffen.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt: Wir geben also die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages - vielleicht sogar noch heute, ja, jetzt gleich – Herr Söder bei uns in Aachen doch noch integriert werden kann.
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