13.01.2015 Rede des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland Aiman A. Mazyek am Brandenburger Tor anlässlich der Kundgebung "Zusammen stehen - Gesicht zeigen"
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Gauck,[sehr geehrter Herr Altbundespräsident Wulff] , sehr verehrter Herr Bundestagspräsident Lammert, sehr geehrte Partei- und Fraktionsvorsitzende, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter europäischer Organe und Organisationen, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller, (sehr geehrte Herren Ministerpräsidenten), sehr geehrte Abgeordnete des Abgeordnetenhauses, Vertreterinnen und Vertreter der Parteien und alle politisch Verantwortliche, die Sie hier sind, - seien Sie alle herzlich gegrüßt. Eine besondere Ehre und Freude ist es mir, unter uns den französischen Botschafter, seine Exzellenz Philippe Etienne, zu begrüßen. Mit ihm heiße ich alle Vertreter der Botschaften willkommen.
Ebenso herzlich begrüße die Vertreter aller Kirchen und Religionsgemeinschaften, die hier sind, stellvertretend den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Herrn Abraham Lehrer, Herrn Bischof Markus Dröge und Herrn Weihbischof Matthias Heinrich. Und ich freue mich, dass mit mir und hinter mir Vertreterinnen und Vertreter aller wichtigen muslimischen Verbände in Deutschland stehen, die Herren Erol Pürlü, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, Nevzat Yaser Asikoglu, Präsident der DITIB, Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates und Seyfi Ögütli, Generalsekretär des VIKZ.
Ich freue mich, dass so viele Vertreterinnen und Vertreter von wichtigen Organisationen der Gesellschaft, aus Kultur und Medien hier sind und natürlich viele, viele aus der Zivilgesellschaft. Viele müsste ich noch nennen, doch stattdessen heiße ich Sie alle, die hier sind, willkommen und sage von ganzem Herzen indem ich Ihnen den Friedensgruß entbiete: Assalamu alaikum – Friede auf Ihnen!
Heute wollen wir alle unsere Solidarität mit dem französischen Volk zum Ausdruck bringen. Wir trauern, geehrter Herr Botschafter Philippe Etienne, mit Ihnen und den Familien der Opfer! Wir trauern mit den Hinterbliebenen, den Freunden und Kollegen der 17 Ermordeten! Und wir trauern mit den Hinterbliebenen, die durch Terror weltweit in diesen Tagen und Wochen ihre Angehörigen und Liebsten verloren haben.
Als Muslime, die in Deutschland leben, haben wir zu dieser Mahnwache eingeladen. Die Tatsache, dass heute Abend so viele Menschen zusammen gekommen sind, die Tatsache, dass der Bundespräsident, die Bundesregierung, die Opposition, ein Großteil des Kabinetts, die Partei- und Fraktionsspitzen, alle wichtigen Vertreter der Muslime, der Kirchen, die Vertreter der Juden und der zivilen Gesellschaft unserer Einladung Folge geleistet haben, dass Sie hier alle so geschlossen zusammen stehen und Gesicht zeigen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Es erfasst uns mit Demut. Ich danke Ihnen, ich danke Gott, für dieses gewaltige Zeichen des Respektes, der Solidarität und Anerkennung. Dadurch machen wir gemeinsam sichtbar: Die Terroristen haben nicht gesiegt. Und Terroristen werden auch in Zukunft nicht siegen!
Heute sagen wir mit den Franzosen und ganz vielen Menschen in Europa und in der Welt: „#JeSuisCharlie.“ Redakteure und Zeichner der Zeitung „Charlie Hebdo“ wurden ermordet. Bei aller Kritik am Inhalt: Journalist/innen, Künstler/innen und Satiriker/innen müssen die Freiheit haben das Wort zu erheben und das Bild sprechen zu lassen. Für Einschüchterung und Gewalt gibt es keine Rechtfertigung! Wir müssen jeden schützen, der in Freiheit lebt!
Kaltblütig erschossen wurde auch der Polizist Ahmed Merabet, ein Franzose mit tunesischen Wurzeln, der an den Tatort kam, um zu helfen. Wir danken ihm und allen Polizisten und Sicherheitskräften, die ihr Leben einsetzen, um unsere Grundrechte, die Grundrechte einer offenen Gesellschaft, zu verteidigen. Deshalb sagen wir auch: „#Je suis Ahmed.“
In einem jüdischen Supermarkt wurden ebenfalls Menschen kaltblütig ermordet. Dort arbeitete auch Lassana Bathily, ein junger Mann, der in einem Flüchtlingsheim in Frankreich aufgewachsen ist. Ein Muslim, der seine jüdischen Kollegen als seine Familie bezeichnet. Es muss wie Hohn für die Attentäter klingen, dass ausgerechnet ein Muslim durch seine Geistesgegenwart vermutlich viele jüdische Menschenleben gerettet hat. Deshalb will ich auch sagen: „#JeSuis Juif“, „#JeSuisMusulman“.
Für uns Muslime ist es so, als ob unsere Geschwister in dem jüdischen Supermarkt, in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo, oder als Polizist auf der Straße von Paris getötet worden sind.
Wir haben eben eindrucksvoll Verse aus dem Koran gehört, darunter den Vers, welcher sich auch in der Thora und dem Alten Testament wiederfindet: Wer einen Menschen ermordet, tötet die gesamte Menschheit.
Die Thora, das Evangelium, der Koran, Humanismus und Aufklärung, sie alle sprechen von der Würde des Menschen - jedes Menschen -, die es zu achten und zu verteidigen gilt. Das ist ein hohes Gut unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung, damit beginnt unser Grundgesetz.
Die Terroristen wollten den Propheten rächen? Nein, sie haben mit ihrer Tat die größte Gotteslästerung begangen. Unser Prophet hat einmal gesagt: „Der Beste unter Euch ist der, der den Menschen am Nützlichsten ist.“ Das muss unser aller Ziel sein!
Die Täter haben den Islam mit ihrem fürchterlichen Akt verraten und seine Prinzipien in den Schmutz gezogen. Der Bruder des getöteten muslimischen Polizisten sagte: „Der Islam ist Liebe. Mein Bruder ist von Terroristen getötet worden. Es waren falsche Muslime“.
Die Terroristen wollten unserer freiheitlichen Gesellschaft einen Schlag versetzen? Nein, wir sagen heute unmissverständlich an die Adresse dieser Attentäter, an die Adresse aller Terroristen, ihrer Rädelsführer und Anstifter, wir sagen den religiösen Extremisten und geistigen Brandstiftern:
Wir werden es nicht zulassen, dass unser Glaube missbraucht wird. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten, die nur das Ziel haben, Hass und Zwietracht zu stiften, auseinandergerissen wird.
Es muss euch Attentäter wirklich wehtun zu sehen, dass ihr damit scheitern werdet einen Keil in unsere vielfältige Gesellschaft zu treiben. Denn wir stehen umso stärker zusammen, wie man unter anderem hier und heute sehen kann.
Und wir Nichtmuslime und Muslime, werden uns noch mehr Bemühen, gerade jetzt. Wir werden uns noch mehr engagieren, aktiv sein und kritische Mitglieder unserer Gesellschaft und Gemeinden sein. Viele junge Menschen werden sich noch stärker in Bildung und Ehrenamt einbringen und dieses, unser Deutschland weiter voranbringen.
WIR STEHEN ZUSAMMEN UND ZEIGEN GESICHT.
Heute setzen wir hier gemeinsam mit den Muslimen ein starkes Zeichen des Friedens und der Toleranz, ein klares Bekenntnis gegen Hass und Gewalt. Wir senden eine klare Botschaft aus Berlin, nach Deutschland und in die Welt hinaus:
Ob religiös oder nicht, ob Jude, Christ, Muslim oder mit einem anderen Glauben: -- uns eint, dass wir der Gewalt und Intoleranz entgegen treten.
Gemeinsam stehen wir für ein weltoffenes, herzliches Deutschland ein, welches die Meinungs-, Presse-, und Religionsfreiheit in Ehren hält, achtet und schützt.