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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Donnerstag, 22.08.2013


22.08.13 ZMD zum Abschlussbericht des sog. NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages



Der Bericht des Untersuchungsausschusses macht eines klar: Jahrelang gab es ein eklatantes Staats- und Politikversagen im Hinblick auf die Aufdeckung des Rechtsradikalismus in Deutschland, sowie Vorurteilsstrukturen bei den Behörden gegenüber bestimmten Minderheiten und Gruppen, die dem strukturellen Rassismus in Deutschland Vorschub leisteten. Aus diesem Grund griffen alle Sicherheits-, Anti-Terror- und Überwachungsgesetze, die der 11. September hervorbrachte, nicht. Dies macht deutlich, dass Gesetze alleine kaum etwas bewirken können, wenn nicht das Denken der handelnden Akteure sich ändert.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) fordert deswegen zwingend Reformen im Bereich der Polizei- und Geheimdienstarbeit, sowie bei der politischen Aufarbeitung des Rassismus in Deutschland. „Leistet die Politik dies nicht, werden sich weitere Katastrophen in unserem Land ereignen, und wir werden wieder neue Opfer beklagen“,  mahnte der der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek heute in Köln. Der ZMD fordert zudem:

Erstens einen Antirassismusbeauftragten, der insbesondere dem Parlament einen jährlichen Bericht vorlegt. Er soll zudem behördliche rassistische Fehlentwicklungen erfassen und durch Antirassismus-Coaching und Sensibilisierungsmaßnahmen entgegenwirken.
Zweitens wie schon vor einem Jahr und nun auch nun vom Untersuchungsausschuss eingefordert sagen wir, dass wir einen Nachrichtendienstbeauftragten (nach dem Vorbild des Wehrdienstbeauftragten) benötigen, der zusammen mit demParlamentarischenKontrollgremium (PKG) die Geheimdienste kontrolliert.

„Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit werden  immer noch in unserem Land  sträflich verharmlost oder klein geredet“ mahnte Mazyek weiter. Dies zeigt z.B. die Rüge des Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen im Bezug auf die Reaktion der rassistischen Äußerungen Sarrazins, wonach die hiesigen Behörden zunächst keinen Straftatbestand erkennen wollten. Die zufällige Aufdeckung des NSU-Terrors wird  erst dann daran was verändern, „wenn wirklich ein Umdenken in unserem Land entsteht und der Untersuchungsbericht klare politische Konsequenzen nach sich zieht und Richtlinien für die Politik und Behörden festlegt. Wir werden die neue Bundesregierung im Herbst daran messen und stets daran erinnern“, sagte der ZMD-Vorsitzende Mazyek.

Im Schatten des 11. September  konnte der Rechtradikalismus erst gedeihen, weil Neonazis von der Generalverdachtsdebatte über den Islam politisch profitierten und so ungestört gegen Ausländer und Muslime vorgehen konnten. Das gipfelte darin, dass trotz zunehmender Anschläge und Übergriffe auf Muslime und ihre Einrichtungen die Islamfeindlichkeit weiter bagatellisiert und Anschläge mit rechtsradikalen Hintergründen behördlich quasi ausgeschlossen wurden.  Selbst beim offensichtlichen Terroranschlag in der Keupstraße (Köln) vermied man diesen  Begriff, schloss von höchster Politik und Polizeibehörde ein fremdenfeindliches Tatmotiv noch am selben Tag aus ohne die Untersuchungen abzuwarten, um daraufhin jahrelang im Umfeld der Opfer die Verbrecher  zu suchen und  so die Opfer zu Tätern werden ließ. „Dieser und andere ähnliche gelagerte Fälle sind Staatsskandale und müssen auch als solche benannt werden“, schloss Mazyek ab.

Köln, den 22.08.13