Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. |
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Samstag, 18.08.2012
18.08.12 Grußwort zum Ramadanfest 2012 n. Chr. und 1433 n.H. des Vorsitzenden Aiman Mazyek
Frohes Ramadanfest 2012 n.Chr. und 1433 n.H.
Bayramınız Mübarek Olsun
Kula am wa antum bi khair
As-salamu ´alaikum wa rahmatullahi wa barakatuh (Frieden auf Euch und Allahs Barmherzigkeit und Segen)
Die Welt ist in Aufruhr. Schreckensmeldungen über Hungersnöte, Naturkatastrophen und Kriege erreichen uns tagtäglich über die Medien. Dazu gehören Berichte über schwere rassistische Übergriffe und Massaker auf Muslime im buddhistischen Myanmar. Ebenso die nicht endenden Horrormeldungen aus Syrien, wo die eigene Staatsmacht gegen die Zivilbevölkerung mit Armee und Panzern bestialisch vorgeht, hielten nicht nur Muslime weltweit gerade während des ganzen Ramadan-Monats in Atem. Muslime spendeten für sie und abends zum Iftar waren wir mit unseren Bittgebeten bei den Flüchtlingen, den Entrechteten, den Hinterbliebenen und Getöteten. Jene, die an diesem Abend und in dieser Nacht auf der Flucht vor den Bomben und den Peinigern waren und das Fasten erschwert brechen konnten und keine Ruhestätte oder Moschee vorfanden, wo sie das nächtliche Tarawih (Ramadangebet) verrichten konnten.
„…Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Allah weiß, ihr aber wißt nicht.“ heißt es in der Sura 2 (al-Baqara), Vers 216.
Manchmal liegt in der Mühsal, in der Bedrängnis, ja im anfänglichen Übel der Keim der Veränderung, der Verbesserung. Oft liegen Niederlage und Sieg nah beieinander, nur wir wissen es nicht oder erkennen es erst viele Jahre später. Wie oft erleiden wir eine Krankheit, aus der wir gestärkt hervorgehen. Gottes Wege sind mannigfaltig und Er prüft uns Menschen, indem Er uns etwas von dem entzieht, was uns das Liebste ist, um zu erkennen, ob wir Ihn nicht vergessen haben bzw. um uns an das Wichtigste, an unser Gottvertrauen in unseren Schöpfer zu erinnern.
Liebe muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch in unserem Land ist einiges in Aufruhr. Spätestens nach dem umstrittenen Urteil des Kölner Landgerichtes, welches die religiöse Verpflichtung der Beschneidung für Muslime und Juden verbieten will, fragen sich nicht wenige, welche Kälte schlägt ihnen da entgegen, und bleibt womöglich der grundgesetzlich garantierte Schutz der freien Religionsausübung auf der Strecke?
Während sich die Gesellschaft zunehmend nach Wärme, Geborgenheit und menschlichen Werten sehnt – die ihnen ja genuin die Religion bietet – erschwert ein zunehmend aggressiver, bisweilen missionarisch daherkommender areligiöser Extremismus das friedliche Zusammenleben in unserem Land.
Der Schutz der religiösen Integrität ist ein sehr hohes Gut. Er droht aber einzustürzen, wenn extreme Gruppen Deutungshoheit über das Recht beanspruchen, indem sie es mit einer bestimmten kulturellen oder auch religiösen Brille zu lesen trachten und meinen, andere Religionen, Kulturen und Lebensentwürfe in ihrer Existenz einschränken zu müssen und bevormunden zu dürfen.
Auch wir Muslime haben damit manchmal in den eigenen Reihen zu kämpfen, und dies zu benennen, behagt vielen nicht, bleibt aber dennoch eine Notwendigkeit.
Liebe Geschwister im Islam, genauso wenig kalt lässt uns die nicht abreißende Zahl an rechtsradikalen Angriffen auf Moscheen und Ausländer, ebenso wenig die Verharmlosungen von rassistischem Gedankengut der Neonazis inmitten unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft , die Schredder-Aktion unserer Geheimdienste und ihre in den Ausschüssen noch zu klärenden Verwicklungen mit dem NSU-Terror. Zudem stößt die Sarrazin-Debatte jetzt wieder bitter auf - denn sie macht deutlich: Bürger und Intellektuelle, meist aus den mittleren Schichten, dokumentieren durch den massenhaften Kauf dieses Buches, dass sie dieser rationalisierten Version des Rassismus etwas abgewinnen können. Einst hatte sich Rassenhygiene als wissenschaftliche rassistische Bewegung verbreiten können und als Buch im vorigen Jahrhundert begonnen.
Gott gebe uns die Kraft, die Gefahren hier nicht zu verharmlosen und den Rassismus nie mehr zu unterschätzen.
Zu den Dingen, die uns zuwider sind – in Anlehnung an den oben zitierten Koranverses – gehört es, solche Wahrheiten auszusprechen und sie nicht unter den Tisch zu kehren. Betroffene Menschen spüren übrigens schnell, ob es einem nur um ein "einfach weiter so" geht, oder ob man ehrlich und aufrecht gewillt ist, das Übel an der Wurzel zu packen. Bisweilen fehlt uns der Mut dazu oder wir sind zu bequem geworden, dann kann es durchaus passieren, dass Gott uns auf Seine Weise, wie im Koranvers beschrieben, anredet.
Unser Land wird in diesen Tagen neben diesen Herausforderungen von heftigen ökonomischen Krisen durchgeschüttelt. Das alles beängstigt und behagt uns nicht. Aber es gibt immer wieder ein Licht am Ende eines Tunnels, wenn wir ernsthaft das Problem, das Übel bei der Wurzel packen.
Ich bete dafür, dass Gott den Verantwortlichen in der Politik Kraft gibt, in diesen schweren Zeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen, um das Wohl des Bürgers zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Gott schütze unser Land und alle seine Bürgerinnen und Bürger.
Liebe Geschwister im Islam, ich wünsche uns Muslimen von Herzen (und trotz der in Unordnung geratenen Welt) ein gesegnetes und frohes Ramadanfest.
Ich hoffe, dass sie darin die Bande ihrer Familie stärken können und ganz besonders unseren Kindern nicht nur mit Geschenken, sondern mit einem warmen Lächeln [auf dem Gesicht] begegnen, so wie es der Gesandte Gottes - Allah segne ihn und gebe ihm Heil – nicht nur beim Fest zu tun pflegte.
Ihr
Aiman A. Mazyek Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD)
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