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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Montag, 06.08.2012


01.08.12 Stellungnahme aus Islamischer Sicht zum Friedhofs- und Bestattungsgesetz in Hessen

Zur Vorlage bei der Anhörung des Innenausschusses des Hessischen Landtages zu dem Gesetzesentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes und dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
-Drucksache 18/5539-


Köln, den 01.08.2012
Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD)
Aiman A. Mazyek (Vorstandsvorsitzender des ZMD)
R. Hamza Wördemann, (Vorstandsmitglied des ZMD)
u.a.


Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) begrüßt das neue Gesetz über das Friedhofs-und Bestattungswesen in Hessen, welches die Belange der Muslime im besonderen Maße berücksichtigt und mehr Raum für lokale Problemlösungen im Dialog zwischen den Kommunen und der ortsansässigen muslimischen Bevölkerung bietet.

Das neue Gesetz ist deshalb besonders wichtig, weil die in Deutschland lebenden Muslime auch in Deutschland bestattet werden möchten. Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Ursprungsländern bestattet werden müssen, weil nur dort eine Islam-konforme Bestattung möglich ist. Auch für die hohe Zahl deutscher Muslime ohne Migrationshintergrund ist es dringend erforderlich, eine Islam-konforme Bestattung in Deutschland zu ermöglichen.  Die Änderung des bisherigen Textes von  § 2 Art.1 Nr.1 zu Nr. 1 a mit Einfügung des Buchst. b Friedhofs- und Bestattungsgesetz kommt den Interessen der Muslime entgegen.  Die Berücksichtigung, dass Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind, ist auch aus islamischer Sicht unabdingbar.

Von zentraler Bedeutung ist die Zulassung von Bestattungen ohne Sarg aus religiösen Gründen als Ausnahme vom allgemeinen Sargzwang. Nur wenn dieser Gesetzesentwurf umgesetzt wird, werden sich die in Deutschland lebenden Muslime auch in Deutschland bestatten lassen. Genau das stellt einen wichtigen Beitrag zur Integrationspolitik dar. Heimat ist dort, wo die letzte Ruhestätte sein darf.

Kurze Hintergrund - Information:

Bestattung in der Islamischen Religion
Für einen Muslim ist das Leben auf dieser Erde eine Prüfung von Gott. Er betrachtet das diesseitige Leben als einen Korridor, der zu einem weiteren jenseitigen und unendlichen Leben führt und als eine Gelegenheit rechtschaffene Taten zu vollbringen, damit ihm im jenseitigen Leben das Paradies und damit das Wohlleben zuteil wird.

Deshalb wird der Tod in der islamischen Glaubensauffassung nicht als etwas Negatives, sondern als krönender Abschluss für einen Menschen angesehen, der in seinem Leben fromm, tugendhaft und rechtschaffen gewesen ist.
Wenn der Tod eingetreten ist, sollen die Augen des Verstorbenen geschlossen werden. Der Leichnam wird dann möglichst umgehend rituell gewaschen, mehrmals und zwar ein ungerades Mal. Der Leichnam sollte vornehmlich vom Ehepartner gewaschen werden oder von anderen Verwandten, soweit möglich, und möglichst von Angehörigen des gleichen Geschlechts.

Nach der Waschung wird der Körper in eine ungerade Zahl von Tüchern gehüllt.
Verstorbene Menschen werden im Islam ohne Sarg begraben. Sie werden in einem Tuch gehüllt mit der rechten Seite Richtung Mekka liegend in ihr Grab gelegt. Üblicherweise wird im Grab (durch ein schräg eingelassenes Brett oder Ähnliches) eine kleine Kammer eingerichtet, so dass die Erde nicht direkt auf den Leichnam geschüttet wird.

Ein verstorbener Mensch soll so schnell wie möglich beerdigt werden, wenn man seinen Tod definitiv festgestellt hat. In Ausnahmesituationen, wo der Leichnam aufgrund einer Bedarfssituation für eine gewisse Zeit aufbewahrt werden muss, ist es gestattet die Beerdigung hinaus zu zögern, wie etwa im Fall eines Mordes, wo der Leichnam für eine Obduktion benötigt wird oder im Fall, dass man auf die Eltern des Verstorbenen wartet, die ihre Anteilnahme an der Beerdigung ihres Sohnes bzw. Tochter gewünscht haben.

Praktische Konsequenzen

Aus den oben genannten Regeln Islamischer Bestattung ergeben sich folgende praktische Konsequenzen:

1.    Zulassung von Bestattungen ohne Sarg aus religiösen Gründen ohne Sargzwang, so wie es der Gesetzesentwurf vorsieht.

2.    Die Gräber der Muslime können Richtung Mekka (Südost) ausgerichtet werden.

3.    Schnelle Terminvereinbarung für verstorbene Muslime, da die Bestattung nach Möglichkeit innerhalb weniger Tage nach dem Tod durchgeführt werden soll.

4.    Sofern es die örtlichen und baulichen Gegebenheiten zulassen, wäre die Bereitstellung eines Raumes für die Waschung des Verstorbenen sehr hilfreich. In manchen Fällen ist es schwierig, die Waschungen in der Wohnung des Verstorbenen durchzuführen, z.B. dann, wenn der Verstorbene alleinstehend ist oder in einer ungünstigen Wohnumgebung lebte. Hier wäre ein gefliester Raum mit gefliester Liegefläche und Wasseranschluss schon ausreichend.

5.    Sofern es die örtlichen und baulichen Gegebenheiten zulassen, wäre die Bereitstellung eines kleinen Gebetsraumes für die Angehörigen des Verstorbenen sehr hilfreich. Neben dem Gebetsraum sollten sich Toiletten befinden, wo sich die Angehörigen vor dem Gebet rituell waschen können (Kopf, Arme, Füße).