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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Montag, 29.08.2011


29.08.11 Grußbotschaft zum morgigen Ramadanfest (30.08.11)



Im Namen des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) wünsche ich allen Muslimen ein gesegnetes Ramadanfest zum Ende der muslimischen Fastenzeit am 30.08.2011 (1. Shawal 1432 nach islamischer Zeitrechnung) und ein frohes und geschwisterliches Miteinander im Kreise unserer Familien und Angehörigen: Id Mubarak, Bayraminiz mubarek olsun und frohes Ramadan-Fest!

Wir bitten Allah, den Erhabenen, um angenommene Werke während des Ramadans, angenommene Gebete und Bittgebete in unseren Moscheen und die Annahme unserer Spenden in den gesegneten Tagen und Nächten dieses Monats. Wir bitten um Rechtleitung für die Menschen durch den Allbarmherzigen und um Gerechtigkeit und Frieden unter den Menschen.

Religion als zivilgesellschaftliche Ressource

Im ganzen Bundesgebiet fanden auch in diesem Jahr anlässlich des Ramadans unzählige Iftars und Veranstaltungen statt, zu denen in den Gemeinden und Religionsgemeinschaften unsere Freunde und Nachbarn eingeladen wurden, damit sie mit uns feiern. Der Ramadan und das Ramadanfest ist gerade dort ein sichtbares Zeichen des friedlichen Miteinanders unserer Bürger unterschiedlicher Konfessionen und Kulturen.

Gerade in den vergangenen Wochen von Ramadan und morgen, wo die muslimischen Familien mit Kind und Kegel gemeinsam das Ramadanfest begehen, wird deutlich: wie wichtig die religiösen Dienste der über 2500 muslimischen Gemeinden in unserem Land sind. Der Islam fordert soziales, solidarisches und bürgerschaftliches Verhalten. Religiosität als zivilgesellschaftliche Ressource, nicht zuletzt auch für den Integrationsprozess, sollte zukünftig besser genutzt werden.

Dabei sind Moscheegemeinden in Deutschland in der Regel viel bunter, als bisher angenommen. Dort finden sich sogenannte liberale, orthodoxe bis konservative Gläubige seit Jahren ein, um vor allem das tägliche religiöse und soziale Angebot in Anspruch zu nehmen. Dazu zählen im Einzelnen das tägliche Gebet, das Freitagsgebet, die Iftar-Einladungen und Tarawih-Gebete während des ganzen Monats Ramadan, die Organisation von Hadsch und religiöser Unterweisung bis hin zu Integrations- und Sportkursen. Sie nehmen übrigens die Angebote nicht nur wahr, sie ermöglichen sie erst mit ihren Spenden und mit ihrem ehrenamtlichen Engagement.

Eines wollen die Gläubigen – auch im Hinblick mancher Diskussion in den letzten Wochen - ganz gewiss nicht: Sich in politische Schubladen von liberal bis konservativ pressen lassen, denn sie wollen einfach nur das Gebet im Gotteshaus verrichten.

Die Welt ist in Aufruhr und wir mitten drin – Arabische Revolutionen

Angesichts der Hungerkatastrophe in Ost-Afrika wurden wir daran erinnert, gerade im Ramadan auf dem Wege Gottes zu spenden, so wie dies unser großes Vorbild und Prophet Muhammad – Friede sei auf ihm – uns eindrucksvoll vorgelebt hat. Zudem fiel der Ramadan in eine Zeit, die stark von Umwälzungen in der Welt gekennzeichnet war. Da ist zum einen das Martyrium des syrischen Volkes zu nennen, das seit fast einem halben Jahr unter der Gewalt des Regimes leidet; die Nachwehen des mörderischen Terroranschlages von Oslo und der Massenmord auf der Insel Utøya durch einen rechtsradikalen Extremisten; die gefährliche Lunte Nahost, die - so Gott will - nicht zündete; die Befreiung des libyschen Volkes von seinem Diktator und ein Welt-Finanzsystem, das vor dem Abgrund zu stehen scheint.

Und so heißt es im Koran (Sura 2 Vers 11und 12): „Und wenn man zu ihnen sagt: „Stiftet nicht Unheil auf der Erde!“ sagen sie: „Wir sind ja nur Heilstifter. Dabei sind doch eben sie die Unheilstifter, nur merken sie nicht.“
Durch die Umwälzungen in der arabischen Welt ist die Tür der Hoffnung, die von Gerechtigkeit, Frieden zwischen den Bevölkerungsgruppen und der Einhaltung der Menschenrechte gekennzeichnet ist, weit aufgestoßen worden. Einmal mehr wird deutlich, dass Islam und Demokratie einhergeht, ja einhergehen muss. Die arabischen Völker machen jeden Tag durch ihre gewaltlosen Demonstrationen deutlich, dass das Rezept von Terror und Gewalt, um eine politische Veränderung zu erzielen und wie es Extremistengruppen insbesondere nach dem 11. September versucht haben einzusetzen, grandios gescheitert ist. Wir danken Gott für Seine Gnade, indem Er diese „Fitna“ (Heimsuchung) sich nicht hat durchsetzen lassen.

Unsere Bittgebete, insbesondere während der Festgottesdienste in den Moscheen, gelten auch den Ermordeten und den Betroffenen dieser Ereignisse. Ihren Familienangehörigen gilt unsere stille Anteilnahme und wir beten für sie, dass ihre physischen wie psychischen Wunden heilen mögen.

Hass, Intoleranz und Rassismus sind menschenverachtende Handlungen wider Gottes Willen – Bespiele aus Norwegen und Großbritannien

Gelingt es uns gemeinsam gegenseitiges Vertrauen in unserer Gesellschaft aufzubauen und gegen Diskriminierung und Gruppenfeindlichkeit in den Köpfen und in der Praxis vorzugehen, dann erfüllen wir auch Gottes Wille. Lassen Sie uns Hand in Hand - Politik, Kirchen und Verbände – damit noch heute anfangen.

Rechtsgerichtete und rechtsradikale Parteien haben in den letzten Jahren vermehrt Zulauf in fast allen Ländern Europas, dies darf uns nicht gleichgültig sein. Denn sie bieten einen Teil der Grundlage für menschenverachtende Taten, wie sie in Norwegen passiert sind. Wie schnell sich verbale Hetze und Hassdelikte dann in terroristische Anschläge umwandeln, hat der Terroranschlag in Oslo und das anschließende Massaker in Utøya sehr deutlich gezeigt. Hass, Intoleranz und Rassismus, ob nun religiös bemäntelt oder nicht, ob jüdisch, christlich oder muslimisch deklariert - am Ende bleiben sie immer nur eines: menschenverachtende Handlungen wider Gottes Willen!

Unser Prophet – Friede sei auf Ihm - sagte einmal in einem Ausspruch: „Der Muslim ist der, vor dem die Menschen in Sicherheit sind“. Das sind Worte, die vielen Muslimen bekannt sind und die sie in ihrem täglichen Handeln umsetzen. So ist es kein Lippenbekenntnis, wenn wir zum Beispiel sagen, dass Deutschland unsere Heimat ist, für die wir in jeder Hinsicht einstehen.

Was Heimat für uns Muslime heißt, zeigte übrigens eine Begebenheit, die sich jüngst bei den sozialen Unruhen in Großbritannien zutrug: Der muslimische Vater, Tarik Jahan, musste mit ansehen, wie sein Sohn von Plünderern vorsätzlich totgefahren wurde, als er und zwei weitere Personen, die auch getötet wurden, eine Moschee und Geschäfte im Armenviertel von Birmingham schützen wollten.
Anwohner und Nachbarn forderten danach zornig Rache. Doch der trauernde Vater verhinderte mit einem bewegenden Appell an sein Viertel, welches die Fernsehstationen weltweit übertrugen, eine Eskalation der Gewalt.

Seine Kraft, sein unerschütterlicher Glaube und seine Zuversicht trotz dieses schrecklichen Ereignisses haben uns alle tief beeindruckt und gezeigt, welch Gottvertrauen dieser Vater besitzt. Der britische Labour-Chef Ed Miliband würdigte den Einsatz des Vaters ein Tag später im Parlament mit den Worten: "Er ist das Gesicht Großbritanniens, auf das wir stolz sind". Und Tarik Jahan rief u.a. seinem Viertel zu: "Mein Sohn starb, weil er versucht hat, die Gemeinschaft zu verteidigen, in der er lebte. Wir sind alle ein Teil dieser Gemeinschaft".


Aiman A. Mazyek

Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland


Köln, 29.08.2011