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Mittwoch, 25.05.2011
25.05.2011 Präimplantationsdiagnostik (PID) aus islamischer Sicht - Stellungnahme bei der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 25. Mai 2011
Einleitung
Es ist ein menschliches Bedürfnis, sich zu vermehren, und der Koran gibt dafür einige Beispiele seitens der Propheten Saleh und Ibrahim (Friede sei mit ihnen). Fortpflanzung soll aus islamischer Sicht nur unter Eheleuten stattfinden.
Der Prophet lehrt uns, die Ursache einer Unfruchtbarkeit zu ermitteln und sie dann mit zulässigen Mitteln zu behandeln. So heißt es in einem Ausspruch des Propheten Muhamad (Friede auf ihm): „O ihr Diener Allahs, behandelt euch; denn Derjenige, der Krankheiten erschaffen hat, hat auch die Therapie dafür geschaffen.“ Es geht allerdings darum, rechtes Maß zu halten, also so viel wie nötig und so wenig wie möglich zu tun.
Fortpflanzungsmedizin aus islamischer Sicht:
1. Der Islam ist für Wissenschaft aufgeschlossen und richtet sich nicht gegen die Vernunft. Wissenschaft ist ein Teil der Religion, so wie Religion ein Teil der Wissenschaft ist. Allerdings maßen Muslime sich nicht an, Gottes Allmacht und Schöpfung in Frage zu stellen. Unser Schöpfer hat uns schon in den ersten geoffenbarten Suren des Korans aufgefordert:
„Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Anhängsel. Lies, und dein Herr ist der Edelste, Der (das Schreiben) mit dem Schreibrohr gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.“ (Sure 96:1-5)
„Und sprich: (Alles) Lob gehört Allah! Er wird euch Seine Zeichen zeigen, und dann werdet ihr sie erkennen. Allah ist nicht unachtsam dessen, was ihr tut.“ (Sure 27:93)
Wissenschaft sollte immer mit Glauben und Ethik einhergehen. Unter dieser Prämisse begrüßen wir die PID als eine Errungenschaft, wenn sie dem Wohle der Menschheit dient und Schaden und Krankheiten von ihr abwendet.
2. Die Bestimmungen des islamischen Rechts dienen zum Schutz folgender Werte: Religion, Seele, Geist, Nachkommen, Vermögen.
Demnach gehört der Schutz der Nachkommenschaft vor Krankheit und Verderb zu diesen fünf Zielen.
Im Islam sollte Liebe und Sexualität nur in der Ehe ausgelebt werden. Darüber hinaus sind die Ehepartner für den Nachwuchs verantwortlich. So kann der Wille Gottes durch den Mensch als Seinen Statthalter auf Erden verwirklicht werden.
Kinderwunsch ist zweifellos ein berechtigtes Anliegen vieler Paare, die ungewollt kinderlos bleiben. Wenn natürlichen Befruchtung nicht möglich ist, bietet die moderne Medizin In-Vitro-Fertilisation an. Diese ist Muslimen unter folgenden Bedingungen erlaubt:
- Es muss sich um Sperma des Ehemanns und Eizelle der Ehefrau handeln. Die Ehe sollte zumindest bis zum Embryotransfer bestand haben.
- Der Embryo darf nur in die Gebärmutter der Ehefrau, nicht an eine dritte Person(Leihmutter), eingepflanzt werden.
- Embryonen dürfen nicht zu Forschungszwecken missbraucht werden.
3. Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) ist folgendes zu beachten:
- Es steht dem Menschen nicht zu, zwischen lebenswert und lebensunwert zu entscheiden. Jeder Embryo hat aus islamischer Sicht Recht auf Leben.
- Missbräuche der PID müssen vermieden werden. Die diagnostischen Verfahren müssen sicher sein und die postpartalen Behandlungsmöglichkeiten müssen gewissenhaft geprüft werden.
- Der Mensch sollte grundsätzlich bereit sein, Krankheiten zu akzeptieren. Dies darf nicht in Selektion und Luxus ausarten.
- PID sollte nur zulässig sein, wenn ein Elternteil oder beide die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Nach eingehender Aufklärung und Bestätigung der infausten Prognose kann dann eine Tötung des Embryos verantwortet werden.
4. Wenn es mehrere Embryonen gibt, also eine Auswahl getroffen werden muss, sollte folgendes beachtet werden, um das Leben der übrigen zu schützen:
a) Da der Prophet uns anwies, unsere Krankheiten behandeln zu lassen, sollen wir und gewiss auch vor Krankheiten schützen (Präventionsmedizin).
b) Eine Ethik-Kommission von mindestens drei Fachärzten sollte die Embryonen untersuchen. Jeder sollte gesondert Bericht erstellen, und die Entscheidung sollte einstimmig getroffen werden.
c) Sollte sich eine schwerwiegende Erbkrankheit herausstellen, ist Tötung des Embryos unter Beachtung obiger Punkte möglich.
d) Alle weiteren lebensfähigen Embryonen sollten dem Embryonenschutz-Gesetz unterliegen.
e) Bekanntlich sollten nicht mehr als zwei Embryonen pro Versuch transferiert werden, d.h. die werdenden Eltern dürfen unter gesunden Embryonen auch das Geschlecht wählen. Dem Schöpfer alleine obliegt es, diesem Embryo Leben zu geben oder nicht. So heißt es im Koran:
„Allah gehört die Herrschaft der Himmel und der Erde. Er erschafft, was Er will. Er schenkt, wem Er will, (nur) weibliche, und Er schenkt, wem Er will, (nur) männliche (Nachkommen). Oder (Er schenkt) beides zusammen, männliche und weibliche (Nachkommen). Und Er macht, wen Er will, unfruchtbar. Gewiss, Er ist Allwissend und Allmächtig.“ (Sure 42:49-50)
f) Die Abstammung des Embryos muss jederzeit zu ermitteln sein. Der Embryo darf auf keinen Fall zu Handels- oder Forschungszwecken missbraucht werden.
g) Genmanipulationen und andere Änderungen der Schöpfung sind aus islamischer Sicht abzulehnen.
5. Fazit:
Die Präimplantationsdiagnostik soll nur in Ausnahmefällen zulässig sein. Um Rechtssicherheit für die betroffenen Paare und Ärzte herzustellen, ist das Embryonenschutzgesetz um eine Regelung zu ergänzen, die die Voraussetzungen und das Verfahren einer PID festlegt. Zur Vermeidung von Missbräuchen sollte PID nur nach verpflichtender Aufklärung und Beratung, dem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethik-Kommission sowie in Fällen zulässig sein, in denen ein Elternteil oder beide die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Im Vorfeld einer PID sollte eine sorgfältige Diagnostik nach strengen Kriterien bei beiden Partnern durchgeführt werden. Zur Gewährleistung eines hohen medizinischen Standards sollte PID nur an dafür zugelassenen Zentren vorgenommen werden.
Köln, den 25.05.2011
Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD)
Dr. Khaled Hanafi (Vorsitzender des Rates der Imame) - Dr. Houaida Taraji (Frauenärztin und ZMD-Frauenbeauftragte) und Dr. Wilfried Murad Hofmann (ZMD-Beirat)
Gez.: Aiman A. Mazyek (Vorstandsvorsitzender des ZMD)
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