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Leserbriefe

Dienstag, 08.06.2010



Johann Huber schrieb:
"Mutigere Schritte in Richtung einer liberaleren, zeitgemäßen Theologie"

In Ihrem Bericht zur "3. Konferenz europ. Imame und SeelsorgerInnen" stellen Sie Österreich als Vorbild hin : dies möchte ich in meinem ersten Punkt etwas relativieren, danach schließe ich einen Gedanken an, wie meiner Meinung nach der Islam in Europa besser akzeptiert werden kann.

a) Die Anerkennung des Islam in der k. u. k. Monarchie im Jahr 1912 ist vor dem Hintergrund der Besetzung und nachfolgenden Annexion Bosniens (mit seinem hohen Anteil an Muslimen) zu sehen.
Was die heutige Situation "des Islam" (um einmal bei dieser Vereinfachung zu bleiben) in Österreich betrifft, sind in den letzten Jahren einige Probleme an die Oberfläche gekommen : Da erst 1998 eine "Islam. Religionspädagog. Akademie" in Wien eingerichtet wurde, haben derzeit noch viele ReligionslehrerInnen eine schlechte oder gar keine Ausbildung. 2 oder 3 Mal tauchten Religionsbücher mit problematischen Inhalten auf. Und im Januar 2009 wurde eine Umfrage unter islam. ReligionslehrerInnen veröffentlicht, nach der 22 % von ihnen die Demokratie ablehnen.
Diese offensichtlich beunruhigenden Fakten werden leider von rechtspopulistischen Parteien (die sich plötzlich als Verteidiger des Christentums aufspielen wollen) ausgenutzt, um "den Islam" bzw. "die Muslime" pauschal als Gefahr hinzustellen, anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, wie man reformwillige MuslimInnen am besten unterstützen könnte.

b) Damit der Islam in der westeuropäischen Gesellschaft besser anerkannt und heimisch wird und auch rechtlich überall eine anerkannte Religion wird, sollte er meiner Sicht nach mutigere Schritte in Richtung einer liberaleren, zeitgemäßen Theologie machen - ich weiß, leicht gesagt, aber die europ. Geistes- und Philosophiegeschichte (an der z.B. auch Avicenna und Averroes ihren Anteil haben) stellt nun einmal hohe Anforderungen.

Eine kontextbezogene Koranauslegung, wie sie z.B. von Lamya Kaddor vertreten wird, ist schon ein wichtiger Schritt in Richtung einer modernen Theologie. Darüberhinaus ist die Aneignung wissenschaftlicher Methoden bei der Erforschung von Koran und Sunna nötig - was in Westeuropa unter "historisch - kritischer Methode" bekannt geworden ist. Ein kurzer Ausflug dazu in die Geschichte : In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen evangel. Theologen gemeinsam mit Historikern, Religions- und Literaturwissenschaftlern die biblischen Texte zu erforschen und brachten (und bringen noch immer) interessante, teils revolutiönare Erkenntnisse ans Licht; oftmals gegen den Widerstand von konservativen christl. Kreisen. Die kathol. Kirche z.B. brauchte bis zum 2. Vatikan. Konzil (in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts), um diese wissenschaftl. Methoden endlich als legitim und förderlich für ein tieferes Verständnis der biblischen Schriften anzuerkennen.

So schließe ich meine Zeilen mit der Hoffnung, dass viele engagierte Muslime und Musliminnen sich im obigen Sinn auf den Weg machen. An Vorbildern auf dem weitem Gebiet der Erkenntnis können ihnen z.B. auch viele arab. und pers. Denker und Wissenschaftler aus dem 9. bis 13. Jahrhundert dienen, welche damals führend für ihre Zeit waren.