15.09.09 Parteien antworten auf ZMD-Wahlprüfsteine
Parteien antworten auf ZMD-Wahlprüfsteine
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den großen bundesweiten Parteien zur Bundestagswahl 2009 Fragen zu Themen gestellt, die die Muslime in Deutschland interessieren. Die Antworten der Parteien sollten den muslimischen Wählern bei ihrer Wahlentscheidung helfen.
Die CDU/CSU, FDP, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und die LINKEN haben bereits (11.9.09) geantwortet. Die SPD kam erst am 21.09.09 dazu.
Die Antworten der Parteien sind meist nicht eindeutig oder relativierend formuliert. Wir haben versucht, daraus die Kernaussage zu formulieren, was insbesondere bei den sehr allgemein formulierten Antworten der CDU schwerfiel. Die uns vorliegenden vollständigen Antworten können aber in den Anlagen zu diesen Wahlprüfsteinen eingesehen werden. Klicken Sie dazu den Link der jeweiligen Partei an.
I. Fragen zur Entwicklung des Islam in Deutschland
1. Setzt sich Ihre Partei für den zügigen Aufbau von islamischen Lehrstühlen an deutschen Hochschulen insbesondere zur Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern ein?
CDU/CSU: befürwortet intensiven Einsatz für die Etablierung von Lehrangeboten in islamischer Theologie an deutschen Hochschulen.
FDP: verweist auf ihr liberales Staats- und Gesellschaftskonzept und den Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Wenn anerkannte und verbindliche Ansprechpartner gefunden werden, sind mit ihnen Staatsverträge anzustreben.
BÜNDNIS90/Die GRÜNEN: Ziel: verbindliche Vereinbarungen mit repräsentativen islamischen Organisationen, die zu einer Anerkennung als Religionsgemeinschaft führen.
2. Sollte sich der Staat in Bund und Ländern seine muslimischen Ansprechpartner selbst zusammenstellen oder soll er mit dem legitimierten Koordinationsrat der Muslime (KRM), der bis zu 85 Prozent der islamischen Gemeinden in Deutschland vertritt (eine andere Spitzenvertretung gibt es nicht), verhandeln?
SPD: es müssten noch weitere Zusammenschlüsse oder Gremien hinzugezogen werden.
FDP: indirektes Ja - aber der KRM muss breitere Mitgliederbasis schaffen.
BÜNDNIS90/Die GRÜNEN: Sollte ein sehr großer Teil der deutschen Muslime nicht erreicht werden, sind gegebenenfalls weitere Schritte zu diskutieren. Ansonsten siehe Antwort in II/1.
DIE LINKE: Der KRM vertrete nur 20 Prozent der Muslime. Die Frage nach der Vertretung solle von Fall zu Fall entschieden werden.
3. Bevorzugt oder privilegiert Ihre Partei einen der vier im KRM vertretenden Verbände?
4. Sind Sie angesichts der Meinungsumfragen, der Ausschreitungen gegen Muslime und ihre Einrichtungen und nicht zuletzt nach dem islamfeindlich begründeten Mord an einer Muslima in Dresden der Ansicht, dass die Islamfeindlichkeit bzw. Islamphobie in die politische Agenda der neuen Bundesregierung aufgenommen werden soll?
SPD: verweist auf geplante Bundesstiftung gegen Rechtsextremismus und ihre Arbeitsstelle „Starke Demokratie“, Vorurteilen und Ängsten gegenüber muslimischen Menschen künftig noch größere Aufmerksamkeit schenken wird.
FDP: setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für das Recht auf ungestörte Religionsausübung ein.
BÜNDNIS90/Die GRÜNEN: Sie verweisen auf ihren Einsatz gegen jede Art von Diskriminierung in den bisherigen Gesetzgebungsverfahren (z.B. Antidiskriminierungsgesetz). Sie wollen das AGG wirksamer ausgestalten und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes künftig wirksamer gestalten und den neuen Richtlinien-Entwurf der Europäischen Kommission, der den Diskriminierungschutz auch im Bereich Religionszugehörigkeit konkretisieren durchsetzen. Sie treten dafür ein, dass die nächste Bundesregierung die neue Antidiskriminierungsrichtlinie aktiv unterstützt und auf eine schnelle Verabschiedung drängt.
Ein Verbot religiöser Symbole in der gesamten Arbeitswelt wird abgelehnt. Ungleichbehandlung religiöser Symbole in Schulen wird abgelehnt.
DIE LINKE: fordert konsequente Antidiskriminierungsgesetzgebung und –Praxis und ein effektives Verbandsklagerecht und wendet sich, wie in Baden-Württemberg, gegen die Diskriminierung der Muslime bei der Einbürgerung.
2. Was tut Ihre Partei gegen die Diskriminierung insbesondere der Kopftuch tragenden Musliminnen in Gesellschaft und Beruf (auch im Öffentlichen Dienst)?
SPD: wird auch künftig gegen diese Diskriminierungen vorgehen.
FDP: „plädiert für einen öffentlichen Dienst, der den Bürgerinnen und Bürgern weltanschaulich neutral gegenübertritt.“ Die Kopftuchfrage sei nicht so wichtig. Der Dialog mit allen Beteiligten solle fortgesetzt werden.
BÜNDNIS90/Die GRÜNEN: Ungleichbehandlung religiöser Symbole (auch im öffentlichen Dienst) wird abgelehnt und hätte wohl vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand.
DIE LINKE: sieht im Kopftuchverbot kein geeignetes Mittel, um gegen islamistische Tendenzen oder die Unterdrückung von Frauen vorzugehen. Menschen sollten nicht nach Äußerlichkeiten beurteilen werden und kulturelle Besonderheiten sind zu respektieren. Das Verbot des Kopftuchs im Öffentlichen Dienst sei verfassungswidrig.
1. Könnte das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst auch ein Signal für die Diskriminierung Kopftuch tragender Muslimas in anderen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft sein?
2. Welche Ziele soll die Islamkonferenz verfolgen?
CDU/CSU: Fortsetzung des gesamtgesellschaftlichen Dialogs, Förderung der Teilhabe muslimischer Frauen und Mädchen am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben, Umsetzung der Empfehlungen der DIK zur Förderung der gesellschaftlichen und religionsrechtlichen Integration der Muslime und Verzahnung der Länder und Kommunen mit der DIK.
SPD: die Ziele sollten mit allen Beteiligten Form und Ziele prüfen und entscheiden.
FDP: Kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Ergebnisse anfertigen, eine tragfähige Grundlage für das Verhältnis von Staat und Muslimen schaffen, rechtliche Anerkennung des Islam anstreben und Praktiker und zuständige Fachpolitiker des Bundestages einbeziehen. Festigung des Wertekonsenses, das Bekenntnis zur deutschen Sprache und Rechtsordnung sowie die Verbesserung der religions- und gesellschaftspolitischen Integration des Islam.
BÜNDNIS90/Die GRÜNEN: Eine Fortführung der DIK mache nur Sinn, wenn ein mit den Bundesländern abgestimmter Fahrplan und konkrete Reformprojekte zur rechtlichen Gleichstellung des Islam vorliegen. Die Frage, wie auch nichtorganisierte Muslime für eine Anerkennung des Islam in diesen Prozess eingebunden werden sollen, ist zu lösen.
DIE LINKE: Es müssen andere Formen (z. B. dezentrale, vernetzte Verständigungsforen) des Dialogs und der Entscheidungsfindung als die der DIK gefunden werden.