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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.

Montag, 19.08.2002


Offener Brief an den Innenmenister Dr. Günther Beckstein, MdL



" Die Anerkennung des Grundgesetzes und die Bejahung der darin verankerten Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ist für uns nicht eine "bloße Anerkennung der Realität" sondern, wie wir in Punkt 10 der Charta darlegen, eine prinzipiell islamisch fundierte Haltung. Die Verwendung des islamischen Begriffs "lokale Rechtsordnung" ist keine Abwertung derselben sondern eine für die Muslime zusätzliche Verpflichtung zur Beachtung und Respektierung der freiheitlich- demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Gerade diese Anerkennung des Grundgesetzes beinhaltet für den ZMD die Anerkennung der darin verbrieften Prinzipien der Menschenrechte, so dass die Islamische Charta doch ein eindeutiges Ja zu diesen Prinzipien darstellt.

Nicht nur die verbale Anerkennung sondern gerade die langjährige Erfahrung unserer Gesellschaft mit der Mehrheit ihrer Muslime und insbesondere mit den Verbänden und Gemeinden des ZMD sind ein eindeutiges Bekenntnis zu Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit.
Verlangt der Staat von seinen christlichen, jüdischen oder andersgläubigen BürgerInnen mehr Bekenntnisse als diese?

Die Anerkennung des Grundgesetztes beinhaltet für uns auch die Frauenrechte, und zwar uneingeschränkt. Die ausdrückliche Erwähnung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen, des Ehe-, Erb- und Prozessrechts ist eine besondere Hervorhebung dieser, bei manchen Muslimen umstrittenen Bereiche, und bedeutet keinesfalls die Ablehnung anderer Rechte.

Viele Muslime erleben, wie seitens der Verantwortlichen in unserem Staat unbegründet ihren Aktivitäten und eindeutigen Aussagen mit Misstrauen begegnet wird. Dies stärkt nicht ihr Vertrauen in die politische Struktur ihres Landes.

Die Islamische Charta, ist keine "anständige Fassade für maskierte Fundamentalisten".
Was verstehen Sie, sehr geehrter Herr Minister Beckstein, unter Fundamentalisten? Menschen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen, ..die einen Gottesstaat errichten wollen, ..die ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen versuchen? All dem erteilen wir in der Islamischen Charta eine deutliche Absage.

Seit langen Jahren arbeiten wir als Partner gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in und mit zahlreichen Institutionen und Gremien zusammen, dazu zählen unter anderem der Deutsche Bundestag, das Bundesministerium des Innern, die Evangelische Kirche Deutschland, die Deutsche Bischofkonferenz und das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken.

Der ZMD ist -unumstritten- der wichtigste Dialogpartner für Behörden und Religionsgemeinschaften. Er ist die treibende Kraft auf islamischer Seite für Transparenz und Offenheit. Seine Islamische Charta wurde von der Mehrheit anderer islamischer Verbände und Organisationen nach ihrer Veröffentlichung unterstützt. Der Versuch, diese wichtige Spitzenorganisation zu relativieren, steht nicht im Interesse der Sicherheit und des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.

Die von Ihnen kritiklos angegebene Zahl unserer Mitglieder von 12.000, welche von unseriösen Stellen verbreitet wurde, steht im krassen Widerspruch zur Tatsache, dass wir 500 Moscheegemeinden mit etwa 500.000 Gemeindemitgliedern vertreten.
Wir behaupten keineswegs, dass wir alle in Deutschland lebenden Muslime vertreten, können aber mit gutem Gewissen behaupten, dass viele bei uns nicht organisierte Muslime sich mit unserer Linie und unseren Projekten identifizieren. Den ZMD als wichtige islamische Gesellschaftskomponente zu ignorieren, dient nicht der Integration der Muslime in diese Gesellschaft und dem gemeinsamen Sozialfrieden."