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Dienstag, 30.03.1999

Islamischer Religionsunterricht, theol. u. pädagog. Grundsätze



Theologische und pädagogische Grundsätze des islamischen Religionsunterrichts

Asiye und Ayyub Köhler - überarbeitete Fassung





Gott im Mittelpunkt

Der Islam ist eine ganzheitliche, auf universellen Werten beruhende Lehre. Die Vermittlung dieser Lehre erfolgt somit auch unter Einbeziehung aller Wissensgebiete und Lebensbereiche und beschränkt sich also nicht nur auf das Theologische. Die islamische Pädagogik als eines der Mittel zur Veredelung des Menschen hat vieles mit den Erziehungsidealen des deutschen Humanismus gemein. Allerdings geht sie nicht von dem aus sich selbst schöpfenden Menschen aus, sondern von Gott und der Gott-Mensch-Beziehung. Oberstes Ziel der islamischen Erziehung ist denn auch die Erziehung zur Ehrfurcht vor Gott, wie sie auch in nahezu allen Schulverfassungen Deutschlands genannt wird (vergl. Auch Artikel 7 der Schulverfassung für das Land NRW.)

Im Mittelpunkt der islamischen Lehre steht Gott. Ziel der islamischen Erziehung zur Ehrfurcht vor Gott erfolgt unter der Voraussetzung der "freiwilligen Hingabe an Gott" und dem Tauhid als ganzheitlicher Ansatz. Allseitige Bildung hängt mit der religiösen Entwicklung des Kindes unmittelbar zusammen. In der islamischen Lehre stehen Gott, Mensch und Welt in unmittelbarer Beziehung zu einander. Da Islam Leben mit Gott ist, geht es bei der Erziehung letzlich um das harmonische Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seiner näheren Umgebung und zu Gottes Schöpfung.



Kein Zwang im Glauben

Weil die Hingabe an Gott der koranischen Lehre zufolge freiwillig ist und es keinen Zwang im Glauben gibt, ist die freiwillige Hingabe an Gott für die Muslime ein unverzichtbarer Erziehungsgrundsatz. Erst dadurch entfalten die weiteren Erziehungsziele ihre nachhaltige und unverrückbare Wirkung.



Gott, Koran, Schöpfung

Diese freiwillige Hingabe an Gott ist keine Leerformel. Sie setzt eine Gotteserfahrung über das "gute Wort", wie es Gott im Koran nennt, voraus. Die hingebende Beziehung zu Gott kann als Rechtleitung über dieses "gute Wort" und/oder auch über die schöne Welt hergestellt werden. Deswegen ist es für die Erziehung bedeutungsvoll, den Koran und die Natur als "Zwillingsmanifestationen" bzw. den Koran auch als Hymne auf die Schöpfung des Einen Gottes begreiflich zu machen. Die Betrachtung und Beachtung der Schöpfung Gottes erzeugt Ehrfurcht und leitet zum behutsamen, nachhaltigen Umgang mit der Natur an (umweltethisches Verhalten).



Umweltethisches

Diese Art der Vermittlung einer Gotteserfahrung hilft, ein respektvolles, verantwortungsvolles und konstruktives Verhältnis sowie den nachhaltigen Umgang mit Gottes Schöpfung auch im Rahmen des enger gefaßten Umweltschutzes zu prägen. Der Mensch soll sich als Teil dieser Schöpfung aber auch als Statthalter bzw. Treuhänder Gottes (Khalifa) oder Verantwortlicher für die Schöpfung empfinden, zu der sowohl die Menschen als auch die Natur mit den Tieren als Mitgeschöpfe gehören.



Menschenwürde und Menschenrechte

Die Würde ist dem Menschen unter erheblichen Auflagen von Gott verliehen worden. Alle Rechte des Menschen - auch die Menschenrechte(!) - sind damit an Pflichten gebunden. Die Vermittlung und Verinnerlichung der Regel, daß islamische Rechte immer an Pflichten gebunden sind, gehört zu den wesentlichen Erziehungszielen.

Die Menschenwürde ist eines der wesentlichen Elemente der islamischen Lehre und bedarf besonderer Beachtung. Aus der Sicht des Korans ist der Mensch mündig und fähig, alleine und ohne Vermittler nach Gott zu streben. Aus dem göttlichen Kern, der in jedem Menschen als das Religiöse angelegt ist, kann der Mensch zu einer mündigen Persönlichkeit entwickelt werden, der nur Gott allein Anbetung entgegenbringt. Er soll, wie es der Koran vom Menschen erwartet, in die Lage versetzt werden, aus seiner gefestigten Glaubensüberzeugung heraus verantwortlich denken und handeln zu können.



Tugenden

Zeichen der Gläubigen ist es, daß der Mensch überzeugend in der Lage ist, "das Gute zu fördern, das Böse zu wehren" und Gerechtigkeit zu üben. Darüber hinaus ist der Respekt vor den älteren Menschen, insbesondere den Eltern gegenüber, Freigiebigkeit, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und die Pflege guter Beziehungen zu den Nachbarn und der Respekt vor dem Wissen Teil der islamischen Erziehung. Wahrhaftigkeit, Standhaftigkeit, Treue, Verläßlichkeit, vergeben und verzeihen zu können sind denn auch als Zeichen von Stärke und Großherzigkeit wichtige Bestandteile der islamischen Werteerziehung.



Der konstruktive Mensch

Aus dem bisher Gesagten und aus der frohen Botschaft des Korans heraus gehört die positive Weltsicht und das positive Selbstverständnis als Merkmal des Muslims zu den hervorragenden Zielen der islamischen Erziehung. Diese positive Sichtweise beruht ebenfalls auf der innigen Gottbezogenheit, durch die sich der Mensch als Geschöpf des barmherzigen und gnädigen Gottes erfährt und sich dabei in seiner Einzigartigkeit als erwünschtes Geschöpf Gottes erlebt, aus dem sich ein wesentlicher Teil seiner, sowohl der Schöpfung als auch seiner gesellschaftlichen Umwelt gegenüber, integrationsfähigen Identität bildet. Dieser Gedanke weist auf das Problem des Respekts vor dem Andersdenkenden bzw. den anderen Mitmenschen gegenüber hin. Darauf gründet sich schließlich der weit gefaßte Begriff der islamischen Toleranz.



Toleranz

Das islamische Toleranzverständnis beruht auf der Akzeptanz der gottgewollten Unterschiedlichkeit. Unterschiede unter Völkern und Menschen müssen als ein Zeichen Gottes akzeptiert und respektiert werden. Die Verschiedenheit der Menschen, der Geschlechter, der Kulturen, Verschiedenheit der Hautfarben und der Sprachen sind Chance der Ergänzung und sollen zur Erkenntnis der eigenen Identität, zu Kooperation und Solidarität führen. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Menschenliebe im Islam beruht auf Gottesliebe. Man liebt seine Mitmenschen um des Schöpfers willen. Der Mensch muß daher lernen, daß Rasse, Hautfarbe, arm und reich keine Rolle bei der Beurteilung der menschlichen Qualität darstellen. Die islamische Sicht der individuellen Unterschiedlichkeit führt dann zur Chance einer Toleranz als Voraussetzung multikulturellen Zusammenlebens.



Geschlechterlehre

Was die Geschlechterlehre anbetrifft, geht die islamische Lehre nicht von einem abstrakten oder gar androgynen Menschenbild aus. Jeder Mensch besitzt eine Geschlechtlichkeit. Diese geschlechtsspezifische Natur des Menschen muß akzeptiert werden. Die Geschlechter haben geschlechtspezifische Rechte und Pflichten. Die Summe der Rechte der Geschlechter sind aber gleich. Die muslimischen Frauen und Männer sind systemgleichberechtigt. Sie haben gleiche Bildungschancen. Die Benachteiligung der Mädchen und Frauen würde der Gerechtigkeit Gottes widersprechen. Das geschlechterbetonende islamische Erziehungskonzept muß deswegen auch die respektvolle, zurückhaltende und verantwortungsbewußte Verhaltensweise zwischen den Geschlechtern entwickeln helfen. Gerade das auf die Natur und die Eigenart der Geschlechter achtende, die Pflichten und Rechte nach der Begabung und Fähigkeit teilende Lebensmodell schafft nach Ansicht der Muslime die Voraussetzung der gesunden Familie, die das Spiegelbild der Gemeinschaft bzw. der Gesellschaft ist. Wichtig ist deswegen auch das Augenmerk auf den Umgang der Menschen miteinander.



Lehrer(in)/Schüler(in)

Die Frage erhebt sich nun nach dem pädagogischen Verhältnis von Lehrer und Schüler. Die moderne islamische Pädagogik geht davon aus, daß die Kinder gewaltlos erzogen werden sollen. Kinder dürfen in der Schule nicht geschlagen, geschimpft oder angeschrien werden. In Sure Luqman heißt es: "Und wandle gemessenen Schrittes und dämpfe deine Stimme..." (31/19) Alle für die Kinder zuständigen Personen müssen geduldig und liebevoll sein. Eine Erziehung mit "erhobenem Zeigefinger", eine Erziehung, die sich zwischen "Müssen und Dürfen" bewegt, ist für die Entwicklung der Selbständigkeit, der Entscheidungsfähigkeit und des Selbstvertrauens der Kinder ungeeignet. Die Empfehlung unseres Propheten: "Macht es (den Leuten) leicht und nicht schwer und verkündet (ihnen) frohe Botschaft, und schreckt sie nicht ab." (Abu Burda, Buchari-Abid S.6), ist auch für die Kindererziehung Richtschnur.



Das Andenken der Propheten

Ein besonderes Anliegen der islamischen Erziehung ist die Pflege des Andenkens der Propheten und besonders die liebevolle Ehrung unseres Propheten Muhammad (Friede sei mit ihm). Sein Vorbild als barmherziger und gerechter Mensch und als guter Ehemann soll den Kindern gegenwärtig gemacht werden. Auch die Notwendigkeit und die Bedeutung des Sports (für beide Geschlechter) wird aus der Lebensweise des Propheten als ausgewogener Mensch in allen Lebenssituationen sowie aus den anderen theologischen Quellen abgeleitet.



Lebenswirklichkeit

Die Lebenswirklichkeit und Erfahrungen der Kinder müssen in der Erziehung unbedingt in Betracht gezogen werden. Islam erzieht keine realitätsfernen Menschen. Die Grunderfahrungen der Propheten und der ersten Gläubigen können da sehr hilfreich sein. Zur Lebenswirklichkeit gehören auch Gewalt, Krieg, Drogengefahr, Hungersnöte u.v.a.m., die selbstverständlich in höheren Klassen behandelt werden müssen. Es muß bewußt gemacht werden, daß der Kampf zur eigenen Selbstverteidigung, zur Wahrung von Recht und Gerechtigkeit und zur Beseitigung von Anarchie und Unterdrückung notwendig ist (der Krieg als der kleine Djihad"), daß aber der schwerste Kampf der ist, den jeder einzelne in sich selbst zu seiner Vervollkommnung führen muß. Die Kraft dazu erwächst aus der Stille. Die islamische Pädagogik ist in der heutigen Zeit auf diesem Gebiet besonders herausgefordert.



Ästhetische Erziehung

An diese Stelle paßt der Hinweis auf die ästhetische Erziehung: Es ist vom Propheten folgendes überliefert worden: "Gott ist schön und liebt die Schönheit". In der islamischen Erziehung und Bildung dürfen schon deshalb die Kunst der Kalligraphie, Gesang, Architektur... o.ä. nicht vernachlässigt werden. Dem Menschen solle nahegebracht werden, daß nicht nur in seinem abstrakten Gedenken Gottes, also im Gottesdienst im engeren Sinne, sondern auch in seinen Werken das Gotteslob und das Lob Seiner Schöpfung enthalten sein sollte. Jede (erlaubte) Handlung wird so auch in diesem Zusammenhang zum Gottesdienst.



Sprachentwicklung und Verständnis

Etwas spezifisch Islamisches ist die Spracherziehung - besonders das Arabische. Das hängt mit der Pflege der prophetischen Offenbarung zusammen. Der schulische Islamunterricht müßte deshalb auch ein Mindestmaß an arabischer Sprach- u. Schriftkenntnissen vermitteln. Schließlich offenbarte sich Gott im schönen Wort, wie es im Koran heißt. Mindestens sollten kleine Suren, die zur Ausübung des Gottesdienstes notwendig sind, auswendig gelernt werden. Der Islamunterricht soll allerdings im Sinne der Erziehung zur religiösen Mündigkeit eine Grundlage für das notwendige aber meist vernachlässigte Verstehen des Koran bilden.



Frömmigkeit, Bildung, Frieden

Wichtige Voraussetzung für das Verstehen des Koran ist aber auch das Wissen von der Welt. Frömmigkeit ist im tauhidischen Verständnis (der Islam als ganzheitliche Religion) eben immer mit Wissen verbunden. Der gebildete Muslim wird so zum mündigen Menschen, der nicht dem Fanatismus verfallen und auch politischen Demagogen widerstehen kann. Erst dann wird er seiner Verpflichtung gemäß überzeugend zum Frieden einladen können.



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