Vorstand
Mitglieder / Organische Mitglieder
Aufsichtsrat/Weitere Gremien
Ausschüsse und Beauftragte
Pressemitteilungen
Selbstdarstellung
Satzung
Muslimische Feiertage
Tag der offenen Moschee
Kontakt
Datenschutz

Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.


Druckversion

Freitag, 19.03.1999

Islamischer Religionsunterricht, Anhörung im NRW-Landtag



Islamischer Religionsunterricht



Stellungnahme des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland Dr. Nadeem Elyas



Vorgelegt am 19. März 1999 im Nordrhein-Westfälischen Landtag bei der Anhörung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen "Islam in der Einwanderungsgesellschaft"



Seit den sechziger Jahren existiert eine beachtliche islamische Bevölkerung in Deutschland, deren Zahl etwa 3 Millionen Menschen der verschiedenen Abstammungen, Sprachen und Generationen beträgt. Mittlerweile wächst in Deutschland die vierte Generation der Muslime heran. ca. 300.000 Muslime mit deutscher Staatsangehörigkeit leben unter uns, darunter 100.000 deutschstämmige Muslime.

Das Grundgesetz nennt als einziges Lehrfach den Religionsunterricht. Dem Staat ist daran gelegen, daß die nachwachsenden Generationen sich mit den staatstragenden Werten und ihrer kulturellen, weltanschaulichen und religiösen Herkunft auseinandersetzen, sie kritisch befragen und positiv füllen.

Seit dem 23. Mai 1949 blieb Artikel 7 des Grundgesetzes in Bezug auf die Muslime und deren Gleichbehandlung allerdings unerfüllt. Und im Artikel 14.2 der Verfassung des Landes NRW heißt es: "Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen."

Seit Jahren ringen die Muslime um diese Rechte, die ihnen ständig verwehrt werden. Statt dessen ließ das NRW-Kulturministerium in den achtziger Jahren einen Lehrplan für die "Religiöse Unterweisung Schüler islamischen Glaubens" erstellen und bot sie im Rahmen des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts an. Dieses Fach ist nicht versetzungsrelevant und wird nicht benotet. In der Regel wird die Unterweisung in türkischer Sprache und außerhalb der regulären Unterrichtszeit gegeben. Die Erstellung dieses verfassungsmäßig fragwürdigen Modells kostete die Steuerzahler unterdessen schon zweistellige Millionenbeträge, erreichte jedoch lediglich 5% der muslimischen Kinder!

Die Bezeichnung und der Rahmen zeigen in welchem Konflikt mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Landesverfassung bezüglich der Mitwirkung der Religionsgemeinschaft und des Neutralitätsprinzips des Staates sich das Kulturministerium befand. Die religiösen Inhalte des Lehrplanes wurden nicht in "Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft" festgelegt. Eine Zusammenwirkung der Muslime fand nicht statt. Die Behauptung, die Kairoer Al-Azhar Universität habe mitgewirkt, wurde von dieser dementiert. Uns liegt die schriftliche Erklärung des später zum Minister für islamische Angelegenheiten ernannten Prof. Zakzouk vor, in der er ausdrücklich mitteilt, ihm wurde damals nicht in seiner Eigenschaft als Lehrer der Al-Azhar Universität ein Entwurf vorgelegt, den er mit einigen Hinweisen versehen zurück geschickt habe. Diese Korrekturen wurden nicht mal beachtet. Trotzdem wird bis heute von Beamten des Schulministeriums immer noch behauptet, Al-Azhar hätte bei der Erstellung dieses Curriculums mitgewirkt. Auf der anderen Seite wird das Angebot der Mitwirkung der Muslime in NRW nach wie vor ignoriert.

Die Mitwirkung der Türkischen Anstalt für Religion in Ankara trug nur dazu bei, daß dieser Lehrplan türkisch-national geprägt wurde. So wird heute in deutschen öffentlichen Schulen ein Fach in einer fremden Sprache gegeben, türkische Vatrelandsliebe gepriesen (s. Allah ist Schulreif, DIE ZEIT vom 23.07.1998) unter der türkischen Fahne und dem Bild von Atatürk "Islamische Unterweisung" vermittelt (s. Lehrbuch "Wir lernen unseren Glauben kennen", Verlag Ferdinand Kamp, ISBN: 3-592-10010-6, S. 15 und Focus 3/99 S. 22). Auch wenn 70% der Muslime in Deutschland türkischer Abstammung sind, so kann das Recht der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland keiner Institution im Ausland übertragen werden.

Im April 1994 beantragte der ZMD-Vorläufer "Islamischer Arbeitskreis in Deutschland" (IAK) im Namen seiner Mitglieder die Einführung eines regelrechten ordentlichen islamischen Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen des Landes NRW. Zu den IAK-Mitgliedern gehörten Vertreter aller Nationalitäten und Rechtsschulen (Sunniten und Schiíten). Es gehörte auch dazu die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB. Am 16.01.1996 teilte ebenfalls der Islamrat dem Kulturministerium schriftlich seine Unterstützung dieses Antrags mit.

Dem Antrag wurde ein ausführliches Zehn-Punkte-Konzept beigefügt. Unser Unterrichtskonzept sieht eine deutschsprachige werteorientierte Unterweisung muslimischer Kinder in die Grundsätze und Praxis ihrer Religion vor. Das Ziel unseres Konzepts, das unter deutscher Schulaufsicht realisiert werden soll, ist die Erziehung einer identitätsbewußten und integrationsfähigen Generation von Muslimen in Deutschland.

Das Konzept geht von einem benoteten versetzungsrelevanten Unterricht in der regulären Schulzeit aus, der von in Deutschland auszubildenden Lehrern erteilt werden soll. Die Lehrer bekommen ihre Lehrbevollmächtigung zum Fach "Islamischer Religionsunterricht" von einer von den Islamischen verbänden zu bildenden Kommission. Besondere Lehrstühle für diese ergänzende Fachrichtung der Lehramtsausbildung sollen an deutschen Hochschulen errichtet werden. Für die Übergangszeit können sowohl Gemeindeleiter als auch ausgebildete Lehrer, die dafür in entsprechendem Fortbildungsseminaren vorbereitet werden sollen, den Unterricht erteilen.

Das zu diesem Konzept notwendige Curriculum wurde als Entwurf eines "Alternativlehrplanes für einen Islamischen Religionsunterricht in den ersten vier Klassen" sowie als "Rahmenplan bis zur zehnten klasse" vom Pädagogischen Fachausschuß des ZMD im Jahre 1998 fertiggestellt.

Nur ein islamischer Religionsunterricht, der unter Mitwirkung der islamischen Gemeinschaft in Deutschland geplant und erteilt wird, kann die Vorgaben des Artikels 7.3 GG erfüllen. Nur ein Lehrplan, der im Einklang mit den Prinzipien des Grundgesetzes erstellt und unter staatlicher Aufsicht und in deutscher Sprache erteilt wird, kann die Basis für eine identitätsbewußte Integration der muslimischen Kinder bilden.

Nur die deutsche Sprache, als gemeinsame Sprache der in Deutschland lebenden Muslime, kann als Mittel der Integration für diese Gesellschaftsgruppe dienen. Jede fremde Sprache ist für die Schulaufsicht weder durchschaubar noch kontrollierbar und wird im Schulalltag die Einschleusung nationalistischen und gesellschaftsfeindlichen Gedankenguts ermöglichen.

Der islamische Religionsunterricht ist keine Ausländerangelegenheit, noch weniger dürfen sich irgendwelche "Heimatländer" in diese Angelegenheit einmischen. Weder Vertreter von Migrantenorganisationen noch von diplomatischen Einrichtungen oder Regierungen können und dürfen die Anliegen der islamischen Religionsgemeinschaft in Deutschland vertreten.

Solange den anderen Religionsgemeinschaften ein Religionsunterricht zusteht, wird sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland nur mit einem gleichgestellten regelrechten ordentlichen Religionsunterricht zufrieden geben. Weder die "Religionsunterweisung für Schüler islamischen Glaubens", noch die vorgesehene "Islamkunde" erfüllen die Vorgaben des Grundgesetzes und werden von daher von uns abgelehnt. Das Beharren auf solche Konstrukte ist ein glatter Verstoß gegen das Prinzip der Gleichbehandlung und eine gravierende Einmischung des weltanschaulich neutralen Staates in Angelegenheiten der islamischen Religionsgemeinschaft.

Wenn etablierte Strukturen der Muslime als Ansprechpartner nicht wahrgenommen werden, so fürchten wir, daß die Kultusbehörden der verschiedenen Bundesländer sich - in Folge des Urteils des Oberverwaltungsgerichts in Berlin - vor einer unübersehbaren Flut von Anträgen einzelner - vielleicht auch unseriöser - Vereinigungen sehen werden, mit denen sie sich dann in langwierigen Prozessen auseinandersetzen müssen. Dies liegt sicher nicht im allgemeinen Interesse.

Als Partner für die Kultusministerien können die Vertretungen der Muslime gemeinsam fungieren, diese sind auf Bundesebene der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und die Türkisch- Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB.

Diese stehen schon seit Jahren dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung.

Begleittexte zur Stellungnahme des ZMD-Vorsitzenden bei der Anhörung "Islam in der Einwanderungsgesellschaft" im Nordrhein-Westfälischen Landtag am 19. März 1999

• Das harmonische Leben in einer multikulturellen Gesellschaft kann nur existieren und fruchtbar werden, wenn die verschiedenen Teile der Gesellschaft ihre eigene Identität behalten und ihre starke Verbundenheit mit dem Ganzen bewahren. Zur Identität von hunterttausenden muslimischen Kindern in Deutschland gehört ihre Zugehörigkeit zum Islam. Die Werte dieser Religion sind ein wichtiger Beitrag zur Integration und sollten als religiösen Ausgangspunkt zur harmonischen Proexistenz in dieser Gesellschaft umgesetzt werden.

• Artikel 7.3. lautet: "Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen .. ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt." Bewußt sprachen die Mütter und Väter der ersten Stunde von Religionsgemeinschaften und nicht von Kirchen. Die Landesverfassungen sprechen in diesem Zusammenhang ebenfalls von Religionsgemeinschaften.

• Der Antrag auf Einführung des IRU hängt nicht vom Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts ab. Der übernommene Artikel 137.2 der Weimarer Verfassung macht die Wahrnehmung dieses Rechts nicht davon abhängig : "Den Religionsgemeinschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen."

• Der Pädagogische Fachausschuß des Zentralrats der Muslime in Deutschland fertigte im Sommer 1992 in Bezug auf das o.g. Soester Modell eine "Kritische Analyse der Religiösen Unterweisung für Schüler islamischen Glaubens " aus. Nach eingehender Analyse des Inhalts wurde kritisiert, daß der Lehrplan die Konfliktsituation des "Fremdseins" im Bewußtsein der Kinder festigt bzw. erst hervorruft. Der didaktische Ansatz dieses Curriculums stellt diese Konfliktsituation in den Vordergrund und richtet die Ausübung der Religion danach aus. Die Reihenfolge im didaktischen Ansatz müßte umgekehrt sein. Problematisch wurde ebenfalls befunden, daß islamische Lebensregeln mit türkischer Tradition gleichgesetzt werden. Gerade die letzte erschwert oft die Anpassung an andere Lebensumstände, wogegen rein islamische Erklärungen das friedliche multinationale Miteinander betonen und fördern wollen.

• Der Fachausschuß des ZMD erklärte sich trotz allem bereit, dieses Modell bis zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts als Übergangsphase zu akzeptieren und aus islamischer Sicht zu verbessern. Dieses konstruktive Angebot blieb bis heute unberücksichtigt.



Suche:

 
Flüchtlinge - wie kannst Du helfen?

Jetzt Spenden!


ZMD in den Medien

Suchen Sie nach dem Zentralrat bei news.google

Sterbehilfe im Islam


Organspende


Organ- und Gewebespende aus islamischer Sicht – Von M.Z.S. Halabi

Islamische Charta

Islamische Charta
Grundsatzerklärung des
Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) zur Beziehung der Muslime zum Staat und zur Gesellschaft.


Jetzt auch auf Englisch erhältlich - From now on available in English:
Islamic Charta in English

Islamische Charta auf französisch:
Charte Islamique

Islamische Charta auf türkisch: Islami Karta


Copyright zentralrat.de - Impressum