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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.


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Mittwoch, 11.03.1998

Stand des christlich-islamischen Dialogs



Rede des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland

Dr. Nadeem Elyas

anläßlich des 50-jährigen Jubiläums der

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland

10.-11.03.1998 in Hofgeismar





Hochwürden,

meine sehr verehrten Damen und Herren,



erlauben Sie mir anfangs, Ihnen die besten Glückwünsche des Zentralrats der Muslime in Deutschland und meine persönliche Gratulation zum 50-jährigen Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland zu überbringen. Gerade wir Muslime als Religionsgemeinschaft mit so vielen Nationalitäten, Rechtsschulen, Gruppierungen und Richtungen wissen, wie äußerst schwer es ist, einen solchen Zusammenschluß zu erreichen und aufrechtzuhalten. Wir wissen auch als Minderheit in diesem Land mit unseren besonderen Bedürfnissen und vielen Schwierigkeiten, wie äußerst wichtig solche Zusammenschlüsse sind. Unsere Glückwünsche verbinden wir deshalb auch mit der Hochachtung vor dem fünfzig Jahre dauernden durchgestzten Willen zur Annäherung und Einigung.



I



Die Zukunftsgesellschaft, meine Damen und Herren, in diesem Land und im gesamten Europa wird zunehmend eine multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft sein. Es leben heute in Deutschland etwa 3 Millionen und in Gesamteuropa 33 Millionen Muslime. Für die meisten dieser Muslime ist Deutschland und Europa zur Heimat geworden. 2/3 der jungen Muslime in Deutschland sind hier geboren und hier aufgewachsen. Richtig zuhause sind sie eigentlich nur in Deutschland. Das Zusammenleben der Muslime mit den Christen in dieser Gesellschaft, unser gemeinsamer Dialog und unser gemeinsamer Wille zum Zusammenwirken zum Wohle dieser Gesellschaft sind wichtige Faktoren für die Gestaltung der Zukunft, unserer aller Zukunft.

Für uns Muslime gelten die authentischen Aussagen im Koran und in der Sunna, die unser Verhältnis mit den Christen und den Juden regeln, uns zum Dialog verpflichten und die Art und Weise seiner Ausführung festlegen. Besonders vom ZMD wurde diese grundsätzliche Haltung in verschiedenen Veröffentlichungen verbreitet.



II



Verglichen mit der letzten Dekade können wir eine deutliche Zunahme der Bereitschaft zum Dialog auf beiden Seiten, der christlichen und der muslimischen Seite, und zwar sowohl bei der Spitze als auch bei der Basis feststellen.

War der Dialog für viele islamische Gemeinden ”kein Thema” und galt für manche sogar als abwegig oder unislamisch, so ist er heute für die meisten in der islamischen Basis eine Selbstverständlichkeit, auch wenn manche nicht in der Lage sind, ihn selbst zu führen.

Auf beiden Seiten fehlt es aber noch gewaltig an der Dialogpraxis. Vieler Orts ist der Dialog zum Werk einiger weniger ”Experten” und ”Spezialisten” geworden, sein Geist ergriff bis jetzt nicht die breiten Massen der Gläubigen. Hier können und müssen die Führungen auf beiden Seiten einiges leisten. Die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Dialog muß ein wichtiges Ziel bei der theologischen Aus- und Fortbildung sein. Ausreichende Kenntnisse über die anderen Religionen und die Grundsätze des Verhaltens gegenüber der Andersgläubigen dürfen genau so wenig fehlen, wie die Ermutigung und verpflichtung zum Dialog mit ihnen. Dieser Geist muß verstärkt über die Kanzel auf die Gemeinden übertragen werden. Durch Wort und Tat besonders der Kirchenoberhäupter auf der Ebene des Dialogs kann dem Einzelnen Sicherheit und Vertrauen bei der Begegnung mit den Andersgläubigen vermittelt werden.



III



Fast für alle islamischen Organisationen gehört der Dialog zu den Hauptaufgaben und steht an der Spitze ihrer Prioritätenliste.

Der ZMD stellte sich und seinen Partnern immer wieder die Forderung, den Dialog zu institutionalisieren. Die Dialoggremien nahmen in der letzten Zeit zu. Vor einigen Jahren standen uns nur der ICA (Islamisch-Christlicher Arbeitskreis), der Islambeauftragte der EKD, die Beratungsstelle für Islamfragen und in wenigen Bistümern Referate für interreligiösen Dialog zur Verfügung, die alle große Dienste für den Dialog leisteten.



Heute schätzt sich der ZMD glücklich, Mitglied des Beirates des ACK-Vorhabens zur Überwindung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, Mitglied des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses zur Woche der ausländischen Mitbürger, Mitglied des Islamisch-Christlichen Arbeitskreises in Deutschland (ICA), Mitglied des Interkulturellen Rates in Deutschland und Mitglied des ”Nationalen Koordinierungsausschusses” (NKA) für das Europäische Jahr gegen Rassismus zu sein.

Die Mitwirkung des ZMD bei der Planung und Durchführung des Projektes ”Begegnung mit Muslimen” bei dem letzten Evangelischen Kirchentag in Leipzig war eine positive Erfahrung und eine Folge der langjährigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem ZMD und den Islambeauftragten der EKD. Viele internationale Medien berichteten davon in weiten Teilen der islamischen Welt. Auch die zunehmende Mitwirkung des ZMD bei den Katholikentagen gehört zu den positiven Entwicklungen unserer Begegnung.

Auch wenn all diese Entwicklungen als positiv zu verbuchen sind, lassen Intensität und erzielte Ergebnisse des Dialogs jedoch viel zu hoffen übrig. Weit stehen diese hinter den Erwartungen und den Erfordernissen der gesellschaftlichen Herausforderungen.

Gerade die muslimische Basis erwartet als Minderheit in dieser Gesellschaft handfeste direkte Ergebnisse des Dialogs. Der Erfolg des Dialogs stellt nicht nur eine Bestätigung der gemäßigten Linie in der islamischen Führung dar, sondern entkräftigt auch die Argumentation der ablehnenden Randgruppen auf beiden Seiten. Um so mehr müssen wir darauf bedacht sein, der Basis auf beiden Seiten handfeste greifbare Erfolge zu zeigen.



IV



Wir vermissen nicht die grundsätzlichen Aussagen der Leitung beider großen Kirchen im Einzelnen und der ACK zu den Grundrechten der Muslime in dieser Gesellschaft, dies nehmen wir mit Anerkennung und Hochachtung wahr. Das gemeinsame Wort der Kirchen zu Migration und Flucht ist ein deutliches Beispiel dafür.

Vielmehr vermissen wir konkrete Stellungnahmen der Kirchenleitung und evtl. gemeinsame Aktionen mit den Muslimen zu Themen, wie das islamische Schächten, islamischer Religionsunterricht, Moscheebau und Gebetsruf, und solidarische praktische Schritte zur Bekämpfung der Benachteiligung der Muslime z.B. auf dem Arbeit- und Wohnungsmarkt und der Diskriminierungen muslimischer Frauen wegen des Kopftuches.

Auf islamischer Seite waren wir im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten immer bemüht, diese praktische Solidarität zu zeigen. Bekundet hat der ZMD seine Solidarität mit seinen christlichen Freunden gegen die Streichung des Buß- und Bettages und das Kruzifixurteil. Entschieden verurteilte der ZMD die Anschläge auf die Kirchen die Lübeck und gegen jede Antastaung von Gotteshäusern, Schändung von Friedhöfen und Demolierung religiöser Einrichtungen irgend einer Religionsgemeinschaft in Deutschland. Auch gegeg die Ermordung der Mönche in Algerien und die Terrorakte in Luxor äußerten wir uns offenkundig. Trotz allem spüren wir bei uns und bei unseren Dialogpartnern auf christlicher Seite großen Bedarf für noch mehr gemeinsame Aktionen und Solidaritätsbekundungen.

V



Auch wenn der Islam intern keine Kirchenstruktur kennt, versuchten die Muslime, sich bundesweit zusammenzuschließen, um in dieser pluralistischen Gesellschaft ihre Interessen als Religionsgemeinschaft zu artikulieren. Unsere christlichen Freunde erlebten mit uns diese Entwicklung und begleiteten sie seit ihren Anfängen. Für die Lösung der vielen Probleme der Muslime in Deutschland stehen dem Staat und den Kommunen mittlerweile Ansprechpartner zur Verfügung, die sehr oft im Namen und Auftrag fast aller Spitzenverbände (ZMD, DITIB und Islamrat) fungieren. Die Behauptung mancher Kommunalpolitiker, es fehle an legitimierten Ansprechpartnern auf islamischer Seite, ist projektbezogen oft nicht haltbar und führt zu großen Benachteiligungen der Muslime und Beschneidung ihrer Grundrechte.

Zur Entkräftigung dieser Argumentation erwarten und erbitten wir auch die Solidarität unserer Dialogpartner auf kirchlicher Seite, die diese Entwicklung aus nächster Nähe kennen und die Situation der Muslime oft besser beurteilen können, als die Beamten und Politiker.



VI



Das direkte Gespräch kann durch nichts ersetzt werden. Auch hier kann die Begegnung zwischen der EKD-Leitung, der Deutschen Bischofskonferenz und den Leitern der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften auf der einen Seite und den Vertretern der islamischen Spitzenverbände auf der anderen Seite nicht nur eine Signalwirkung in der Gesellschaft haben, sondern auch dazu dienen, gemeinsame Strategien und praktische Lösungsmodelle für unsere aller Probleme zu entwickeln. Bewahrung der Schöpfung, Schutz der Jugend, Bekämfung von Sucht, Gewaltverherrlichung und Pornographie sind Herausforderungen für uns alle. Stärkung der moralischen und ethischen Werte in unserer Gesellschaft sind Anliegen, die für uns alle als Gläubige von großem Interesse sind und die wir gemeinsam diskutieren und behandeln sollen. Ein engerer Zusammenhalt aller Gläubigen unseres Landes kann - so Gott will- zur Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung beitragen und zum Wohle der gesamten Gesellschaft sein.



Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist jederzeit gerne dazu bereit.





Hofgeismar, 11. März 1998





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