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Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.


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Montag, 20.05.1996

Nur der Friede ist heilig



Ansprache des Vorsitzenden des Zenralrats der Muslime in Deutschland


Dr. Nadeem Elyas bei der Zentralveranstaltung anläßlich des 900-jährigen Gedenktages der Kreuzzüge; Essen, 20. Mai 1996



Im Namen Allahs des Allerbarmers des Barmherzigen



”Und was immer euch zuteil geworden ist, ist Nutznießung des diesseitigen Lebens. Was aber bei Gott ist, ist besser und hat eher Bestand für die, die glauben und auf ihren Herrn vertrauen, die die schweren Sünden und die schändlichen Taten meiden und, wenn sie in Zorn geraten, (lieber) vergeben, und die auf ihren Herrn hören und das Gebet verrichten, ihre Angelegenheiten durch Beratung regeln und von dem, was wir ihnen beschert haben spenden, und die, wenn ihnen Ungerechtigkeit widerfährt, sich selbst helfen. Eine böse Tat soll mit etwas gleich bösem vergolten werden. Wer aber verzeiht und Besserung schafft, dessen Lohn obliegt Gott. Er liebt ja die nicht, die Unrecht tun. Und die, die sich selbst helfen, nachdem ihnen Unrecht getan wurde, können nicht belangt werden. Belngt werden die, die den Menschen Unrecht tun und auf der Erde unberechtigterweise ungerecht handeln. Für sie ist eine schmerzhafte Pein bestimmt. Wahrlich, wenn einer geduldig ist und vergibt, so gehört dies zur Entschlossenheit in den Anliegen.” (Koran: 42/36 ff.)

Als betroffene Muslime und sicher auch als betroffene Juden im christlichen Abendland scheint es heute leicht zu sein, selbstgerecht der Heimsuchung durch den ersten und all´ die anderen Kreuzzüge im Nahen Osten, in Europa und den anderen Teilen der Welt und ihren Opfern unter Christen und Juden, die damals mit uns im islamischen Herrschaftsbereich in Frieden lebten, zu gedenken und selbstgerecht über Schuld und Unschuld zu sprechen.

Gott möge mich vor der Versuchung solcher Selbstgerechtigkeit und Leichfertigkeit bewahren. Die Darstellung von den Guten hier und den Bösen dort, bringt uns für die Zukunft nicht weiter. Das soll aber auch nicht heißen, daß wir dieses Datum bis zum 1000-jährigen Gedenktag einfach als Pflichtübung zivilisierter Menschen abhaken. Denkmälern und Gedenktagen stehe ich eh´ skeptisch gegenüber. Sie werden zu schnell lediglich zu Symbolen, die aber nichts am Wesen der Menschen ändern. Vielmehr sollen wir und die nächsten Generationen von Juden, Christen und Muslimen bis zum 1000-jährigen Gedenktag gemeinsam versuchen, daß die Barbarei unter den Völkern und Religionen nicht noch mehr Raum gewinnt. Bis dahin haben wir immerhin noch100 Jahre der Hoffnung und der Zuversicht.

Es steht mir hier auch nicht zu, den Christen Ratschläge zu erteilen. Vielmehr möchte ich von uns und unserer Befindlichkeit ausgehen, um auch hier nach Ansatzpunkten für die Verbesserung unseres gegenseitigen Verhältnisses zu suchen. Wobei wir durchaus nichts unter den Teppich kehren sollen. Offenheit hilft hier weiter.

Für uns sind die Kreuzzüge keine singulären Gedenktage. Ihre Kriegsverbrechen sind in der gesamten Weltgemeinschaft der Muslime trotz des Sieges, den die Muslime schließlich errungen hatten, so gegenwärtig, als ob sie gestern erst unter uns gewütet hätten. Die Kreuzzüge, die damals als eine bis dahin in unserer zivilisierten Weltregion zu ungeahnter Brutalität eskalierten, die sich sogar in Eintracht mit den mongolischen Horden verbrüderten, sind als ein belastendes Trauma unter den Muslimen bis heute noch manifest.

Und wir sollen die Gefühle vieler unserer Glaubensbrüder und -schwestern als ein Faktum ernst nehmen, mit denen zurecht oder unrecht die christliche Mission als ein friedensgefährdender, geistiger Angriff und Fortsetzung der Kreuzzüge gegen unsere Glaubensgemeinschaft betrachtet wird. Verknüpft mit den jüngsten Kriegsereignissen - besonders sei hier auf den Krieg in Bosnien verwiesen - wird von beiden Seiten aber unterschiedlich ein Kreuzzugsmythos belebt.

Selbst hier in diesem unseren Lande gibt es noch genügend ”Kreuzritter” in verantwortungsvollen politischen Positionen, in Verwaltung und in Schulen, die das Mißtrauen der Muslime gegen diese Gesellschaft wachhalten. Manche ”Schreibtisch-” und ”Mischpult-Ritter” schüren Ängste vor dem Islam und den Muslimen, stärken das Mißtrauen ihnen gegenüber und ziehen mit anderen modernen Mitteln gegen sie zu Felde.

Hier soll deswegen besonders derer gedacht werden, die schon während der ersten Kreuzzüge in Europa mit Zivilcourage Zweifel an dem Christlichen in diesen Unternehmungen verbreiteten: ”Gott will es nicht!”

Gleichwohl wissen wir zu unterscheiden und sehen den Hoffnungsschimmer in der entschiedenen Ablehnung der Religionshetze durch die Mehrheit der Christen unseres Landes und durch die Islambeauftragten der Kirchen. Den Besonnenen müssen wir im friedenstiftenden Sinne den Rücken stärken, da wir sonst Gefahr laufen, das Lager der Extremisten auf beiden Seiten zu vergrößern. Anzeichen dafür gibt es in aller Welt - auch in Deutschland. Die Besonnenen und die Couragierten gilt es, heute in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu stärken.

Unterlegenheitsgefühle, Selbstzweifel, wirtschaftliche Kriesenzeiten und die vermeintliche Unfähigkeit, mit den inneren Problemen fertig zu werden, sind meist Anlaß für Aggressivitäten, die sich nach außen wenden. Versuchungen, die Muslime allesamt unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung zu bekriegen, ist der falsche Ausweg. Verallgemeinerungen und Pauschalabstempelung aller praktizierender Muslime als ”Fundamentalisten” im Sinne von Extremisten und Terroristen helfen keinem in der heutigen europäischen Gesellschaft.

Die größte Bedeutung messen wir deswegen dem Bildungswesen bei. Verlage und Autoren von Schulbüchern sind bemüht ein gerechtes Bild von den Religionen zu zeichnen und die Geschichte von beiden Seiten zu beleuchten. Wenn also das Gedenken an Verbrechen wachgehalten werden soll, so soll es ein Denkmal in der Erziehung zur Ehrfurcht vor Gott und Gottes Schöpfung und zum Respekt dem Anderen gegenüber sein.

Kein Krieg ist heilig. Auch dann nicht, wenn er als der islamisch erlaubte Verteidigungskrieg geführt wird. Nirgends ist im Koran deswegen vom heiligen Krieg die Rede. Das Wort Krieg in seinem engeren Sinne wird im Koran mit ”Harb” bezeichnet. Der Dschihad, der jeder Muslima und jedem Muslim zur Pflicht gemacht wird, ist der vollständige permanente gesellschaftliche Einsatz des Einzelnen für das Gute in allen Bereichen der Gesellschaft. Der Dschihad ist nach dem Selbstverständnis des Islam der vollständige permanente gesellschaftliche Einsatz des Einzelnen für das Bewahren der gesamten Menschheit vor dem Bösen.

Selbst in diesem Sinne ist der Dschihad nicht heilig. Kein Mittel darf geheiligt werden - Nur Gott ist heilig.

Ausgehend von unserem religiösen Auftrag, das Wohl aller anzustreben und sich in jeder Gesellschaft mit geeinten Kräften für Besserung einzusetzen, suchen und pflegen wir den Dialog zwischen den Religionen und besonders mit den Christen und Juden. Gemeinsam müssen wir uns anstrengen, den ”Clash of Civilisation” zu verhindern. Einfühlungsvermögen und Behutsamkeit im Umgang miteinander als Menschen mit verschiedener Glaubensauffassung sind erste Voraussetzungen dafür. Einfühlungsvermögen und Behutsamkeit im Umgang mit den anderen Völkern und Kulturen sind vor allem in der Weltpolitik unabdingbare Voraussetzungen für den Weltfrieden, den wir uns alle wünschen und um den wir alle Gott bitten.



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